Die Farm am Eukalyptushain
Linie am fernen Horizont. Billy Birdsong zügelte sein Pferd und deutete auf eine Reihe kleiner Erhebungen im Gelände. »Eier von Regenbogenschlange«, sagte er leise. »Guter Traumort. Viele Ahnengeister.«
Catriona lächelte insgeheim. Billy war wie immer ein bisschen dramatisch. Er war ein wunderbarer Geschichtenerzähler, aber er neigte zum Übertreiben, wenn er das richtige Publikum hatte. Aber sie sah, dass die anderen von ihrer Umgebung und vom Geheimnis dieses seltsamen nächtlichen Ritts wie verzaubert waren; hingerissen blickten sie starr geradeaus und lauschten der singenden Stimme, die ihnen von Ahnen und Geistern und Totems aus der Traumzeit erzählte.
Der erste Impuls, diesen Ausflug als amüsanten Spaß zu betrachten, war schnell vergangen, als Catriona erkannte, dass Billy an die Traumzeitgeschichte von der Regenbogenschlange wirklich glaubte und dass er sie in ein von Weißen unerforschtes Gelände führte, in das Reich der Mythen und Legenden über die Schöpfung. Und wie konnte sie an ihnen zweifeln? Dieser Ort, dieses Gefühl der Zeitlosigkeit war überwältigend. Die Essenz all dessen, an das sie glaubte, verlor sich in der großartigen Pracht dieses uralten, mystischen Landes und in der sanften, lyrischen Stimme des Aborigine, der sie immer weiter hinein ins Herz dieser Welt führte.
Das Gefühl, an einem heiligen Ort zu sein, wurde stärker, als sie ihre Pferde auf die Wölbungen dieser niedrigen Hügel zulenkten, und Catriona spürte, dass sie von ihnen angezogen wurde. Es war, als träume sie, als habe sie sich freiwillig einer unsichtbaren Macht überlassen, der sie jetzt nicht mehr widerstehen konnte. Sie hatte keine Angst und auch nicht das Bedürfnis umzukehren, denn sie war zutiefst davon überzeugt, dass sie gleich etwas Außergewöhnliches erleben würde.
Die sanften Bodenwellen hoben sich vom Nachthimmel ab wie die Buckelrücken gutmütiger Wale in einem Meer von Gras, erstarrt in der Zeit. Die Aborigines ritten voraus, und die Stimme des Alten wehte im sanften Wind. Die tiefen Schatten der Hügel nahmen sie auf. Das leise Rascheln der Hufe im Gras begleitete die Musik der Stimme und das Seufzen des Windes. Sie fühlten sich hineingezogen in den Traum, zurück in die Zeit, als die ersten Geistahnen ihre Fußspuren in der neu erschaffenen Erde hinterließen.
Catriona fragte sich, ob auch die anderen dieses tiefe Alleinsein spürten, das Gefühl, klein und unbedeutend zu sein vor diesen uralten Hügeln unter dem allumfassenden Himmel. Spürtensie die Anwesenheit der Geister längst vergangener Zeiten – oder bildete sie, Catriona, sich das alles nur ein? Sie drehte sich im Sattel um und schaute zurück: Die anderen sahen aus wie ehrfurchtsvolle Kinder, die dem süß lockenden Lied des Rattenfängers ins Never-Never folgten.
Endlich machten sie Halt und stiegen ab. Sie hobbelten die Pferde, und dann folgten sie den barfüßigen Schwarzen auf einem schmalen, gewundenen Pfad, der in Spiralen auf den höchsten der Hügel führte. Billy Birdsong murmelte leise vor sich hin; seine Worte waren unverständlich, aber irgendwie beruhigend. Oberhalb eines langen, flachen Abhangs blieb er stehen und setzte sich.
Catriona und die anderen taten es ihm nach, völlig verzaubert von dem Klang seiner Stimme und der Aussicht, die sich ihnen bot. Golden schimmerndes Weideland erstreckte sich bis zum Horizont, und Wasserläufe zogen sich wie silbrige Schlangen durch die Konturen des Geländes. Aber vor allem der Himmel war überwältigend. Für Catriona war es das Natürlichste auf der Welt, sich in das spröde Gras sinken zu lassen und sich in der funkelnden Pracht der Sternbilder zu verlieren.
Die Milchstraße zog einen breiten Streifen durch die Dunkelheit, und der Orion und das Kreuz des Südens waren zum Greifen nah; es war, als könne man sie vom Himmel pflücken, als könne man die goldene Kugel des Mondes in der flachen Hand halten und seine Kraft spüren. Catriona lauschte dem Sirenengesang des Aborigine, und die Erde zerschmolz unter ihr. Schwerelos lag sie in der Wiege der Schöpfung, sanft gewiegt von unsichtbaren Händen, die sie nach und nach in die Unendlichkeit trugen. Sie empfand keine Furcht, sondern nur ein tiefes Gefühl des Friedens. Sie spürte, dass sie da war, wo sie hingehörte.
Die Sterne kamen näher und näher, sie umgaben sie zu allen Seiten und trugen sie über die Milchstraße, wo jeder Stern der Geist eines längst verstorbenen Vorfahren war. Sie sah ihre Gesichter
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