Die Farm am Eukalyptushain
Freund gewesen, ihr Fels in der Brandung, er hatte sie ermuntert, ehrgeizig zu sein und stolz auf das, was sie leistete. Er hatte ihr Selbstvertrauen gestärkt und sich über ihre Intelligenz gefreut.
Ihre Mutter Jeanette hatte andere Vorstellungen. Als Harriet älter wurde, begriff sie allmählich, dass auch ihre Privatschulerziehung nur eines der Werkzeuge ihrer Mutter war, die ihr dazu verhelfen sollten, die »richtigen Leute« kennen zu lernen. Sie sprach schon jetzt von einem Mädchenpensionat in der Schweiz und von den Möglichkeiten, sich einen reichen Mann mit Beziehungen zu angeln, damit Harriet für ihren Lebensunterhalt nicht würde arbeiten müssen. Harriet war verwirrt von den widersprüchlichen Botschaften, die sie von ihrer Mutter empfing. Jeanette hatte ihr Leben lang gearbeitet – sie war die Primaballerina der Sydney Ballet Company –, und sie hatte bis zur Erschöpfung dafür geschuftet, den Gipfel ihrer Karriere zu erreichen. Warum sollte sie selbst etwas anderes tun?
»Was ist los, Hat?« Rosas Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
»Nichts«, sagte sie mit einem zufriedenen Seufzer. »Ich bin einfach glücklich hier.«
Im Laufe der nächsten sechs Jahre festigte sich Harriets Freundschaft mit Rosa und Belinda immer mehr. Belvedere war ein zweites Zuhause für sie geworden, und Catriona behandelte sie in den Schulferien warmherzig und einladend. Belindas unerwiderte Liebe zu Connor nahm trotz seiner zahlreichen Eroberungen in Drum Creek nicht ab, und Catriona war überzeugt, dass der korsarenhafte Gang, den die Knieverletzung hinterlassen hatte, einen großen Teil zu seinem Erfolg bei den Frauen beitrug.
Als Catriona jetzt mit Pat Sullivan im Hof stand und zusah, wie die drei Mädchen ihre Pferde sattelten und losritten, erkannte sie erschrocken, dass Rosa, Belinda und Harriet keine Kinder mehr waren. Rosa war mit ihren siebzehn Jahren immer noch klein und zierlich, aber sie war an allen richtigen Stellen wohlgerundet. Ihr Haar war kurz und stachlig, und sie hatte sich die Spitzen rot gefärbt. Sie trug gern dunkles Augen-Make-up und einen ebensolchen Lippenstift, und ihre Kleidung war – zurückhaltend gesagt – unorthodox: meistens schwarz, knapp und absolut unpassend zum Leben auf einer Farm im Outback. Ihre Vorliebe für Schmuck, kurze Röckchen und winzige Tops war das Tagesgespräch in der Nachbarschaft. Sie bekam immer mehr Ähnlichkeit mit Poppy.
Belinda war größer und breiter und hatte die stämmige Figur ihrer Brüder. Noch immer trug sie am liebsten Jeans und T-Shirts,und im Sattel fühlte sie sich wohler als im Klassenzimmer. Sie wirkte jungenhaft, und das würde unabhängig von ihrem Alter auch so bleiben. Ihr dunkles krauses Haar fiel über die Schultern fast bis zur Taille, und ihre Augen waren strahlend blau. Ihr Lächeln konnte einen Eisberg zum Schmelzen bringen, und ihre Persönlichkeit war über jede Kritik erhaben.
Harriet war durchschnittlich groß, schlank und elegant. Sie hatte die Haltung einer Tänzerin. Ihr dichtes blondes Haar reichte bis auf die Schultern, ihr Teint war hell und zart, und ihre Augen waren manchmal blau, manchmal grün. Sie war noch immer die Stillste unter den dreien, aber ihre Fröhlichkeit und ihr Selbstvertrauen waren in den Jahren auf Belvedere aufgeblüht, und sie war nicht mehr das Mädchen, das damals am ersten Tag so scheu und einsam in die Schule gekommen war.
»Die Zeit ist im Fluge vergangen«, stellte Catriona fest. »Ich kann nicht glauben, dass diese Gören bald achtzehn sind.«
Pat lächelte. »Sie benehmen sich eher wie Zehnjährige. Verrückt nach Pferden und so ausgelassen wie Äffchen. Sieh dir an, wie sie losgaloppieren – ohne einen vernünftigen Gedanken im Kopf.« Sie sah Catriona an. »Aber mir kommt es auch vor, als wärest du erst gestern hergekommen«, sagte sie leise. »Hast du es nie bereut?«
Catriona lachte und fuhr sich mit den Fingern durch das kurz geschnittene Haar. Diese Frisur war praktisch – und kühl –, und mit ihren siebenundfünfzig Jahren stand sie ihr gut. »Nicht ein einziges Mal«, antwortete sie entschieden. »Aber ich hätte mich hier nicht so schnell eingelebt, wenn du nicht gewesen wärest.«
Pat zuckte die Achseln. »Ich habe nicht viel getan. Deine Persönlichkeit und die Art, wie du Rosa und Connor großgezogen hast, haben dir überall Respekt eingebracht.«
Catriona schob die Hände in die Hosentaschen. »Ich wusste, dass es ein gutes Stück Arbeit sein würde, zwei fremde
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