Die Farm am Eukalyptushain
dass Mum auf der Bühne so erfolgreich war«, sagte sie, während sie die Sandwiches in Fettpapier wickelte. »Sie ist eine geborene Schauspielerin.«
»Ja, mich hätte sie beinahe auch getäuscht«, sagte Harriet.
Lächelnd holte Rosa einen Wein aus dem Kühlschrank und fing an, die Satteltasche zu packen. »Ich hab’s dir noch nie erzählt, aber als ich klein war, wollte ich auch Schauspielerin werden.« Sie kicherte, als sie Harriets verdutztes Gesicht sah. »Ich habe sogar daran gedacht, in Catrionas Fußspuren zu treten und an die Oper zu gehen.«
Harriet lachte. »Das ist nicht dein Ernst. Mit deiner Stimme?«
Rosa lachte dunkel und kehlig. »Ich wusste ja nicht, dass sie so schrecklich ist. Damals jedenfalls nicht. Ich war zwölf, als ein äußerst ehrlicher Gesangslehrer mir sagte, dass er lieber einen ganzen Chor von Aga-Kröten singen hörte und dass ich mir dochetwas anderes vornehmen sollte. Weil ich schon immer Realistin war, habe ich sein Urteil akzeptiert, und ich glaube, Mum war ziemlich erleichtert.« Sie schüttelte den Kopf. »Für sie muss es die Hölle gewesen sein, mir beim Üben zuzuhören, und ich habe den Verdacht, sie hat den Lehrer nur deshalb kommen lassen, damit er mir diesen Dämpfer aufsetzt.«
Rosas Kichern war ansteckend; Harriet stimmte ein, während sie Käse und Salat einpackten und in die Satteltasche stopften. Sie dachte an das morgendliche Konzert unter der Dusche und konnte sich vorstellen, welche Qualen Catriona gelitten haben musste, wenn Rosa gesungen hatte. »Dafür hat die Justiz eine Diva bekommen«, sagte sie. »Du bekommst dafür vielleicht keine Beifallsstürme und Blumensträuße, aber du tust jetzt wenigstens das, was du am besten kannst. An deiner Stelle würde ich dabei bleiben.«
Connor hatte den Vormittag über die Rechnungsbücher durchgesehen und mit verschiedenen Lieferanten telefoniert. Er war immer wieder gestört worden, weil Männer hereinkamen und dämliche Fragen stellten, die sie selbst hätten klären können, wenn sie nur einen Augenblick nachgedacht hätten. Seufzend klappte er die Bücher zu und warf sie auf den Schreibtisch.
Sein Büro war ein quadratischer Raum, der an das Kochhaus angebaut worden war; obwohl der Deckenventilator kräftig rotierte, hing der Dunst von Tausenden von Mahlzeiten noch immer in der Luft. Er schob den Stuhl zurück, stand auf und ging hinaus, um zu sehen, wie weit die Männer mit dem Tagespensum gekommen waren.
Billy Birdsong hockte im Schatten des Maschinenschuppens und drehte sich mit geschickten Fingern eine Zigarette. »Tag, Boss«, näselte er und schaute durch sein dichtes, von grauen Fäden durchzogenes ockerfarbenes Kraushaar zu Connor auf. Niemand wusste, wie alt er war, und vermutlich hatte auch Billy keine Ahnung. Billy Birdsong war einer der Grundpfeiler von Belvedere . Er hatte Connor alles beigebracht, was er wusste, er war sein Mentor und bester Freund.
»Tag, Billy«, sagte Connor. »Bist du fertig mit dem Geländewagen?«
»Yeah, Boss.« Billy zündete sich seine Zigarette an. »Wird wieder laufen. Aber das Getriebe ist hin. Braucht bald ein neues.«
Connor nickte. Er hatte nichts anderes erwartet. Der alte Wagen hatte so viele Kilometer auf dem Tacho – es war ein Wunder, dass er überhaupt noch fuhr. Wenn Billy als Automechaniker kein solcher Zauberer gewesen wäre, hätte die Mühle schon vor Jahren den Geist aufgegeben. Er wollte weitergehen, als Billy sagte: »Was ist los mit Missus, Boss? Sie krank?«
Connor schüttelte den Kopf. »Nicht, dass ich wüsste«, brummte er. Hier passierte kaum etwas, ohne dass jeder es gleich erfuhr, und er war verblüfft zu hören, dass es Catriona nicht gut ging. Gestern Abend hatte sie ganz okay ausgesehen – ein bisschen müde vielleicht, aber das war nach all der Planung für ihre Geburtstagsparty zu erwarten gewesen. »Warum, Billy? Wie kommst du darauf?«
»Ist nichts weiter«, sagte Billy durch den Rauch seiner Zigarette. »Ist ein bisschen müde. Heute Morgen vor Sonnenaufgang schon auf. Weiter nichts.«
»Morgens um die Zeit ist jeder müde.«
Billy nickte und grinste. »Schön, Rosa wieder da«, sagte er. »Groß geworden. Wie meine Jungs.« Er seufzte. »Zeit geht schnell, Boss. Wahrscheinlich bald so weit, dass Billy Birdsong geht auf letzte Wanderschaft. Machen Frieden mit Totemgeistern.«
Connor erschrak über diese Ankündigung von dem Mann, den er seit seiner Kindheit kannte. So alt konnte Billy doch sicher nicht sein? »Ist noch
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