Die Farm am Eukalyptushain
überrascht, um zu protestieren. Er sah sie an und lächelte. Sie spürte seinen schnellen Herzschlag an ihren Rippen und denrauen Stoff seiner Tweedjacke an ihrer Wange. Sein Atem ging flach und roch nach Tabakqualm, als er ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn drückte. Der Blick seiner tiefblauen Augen schien bis in ihr Innerstes zu dringen. Sie stemmte sich gegen seine Brust, plötzlich verlegen und schüchtern. »Ich kann selbst gehen«, erklärte sie. »Ich bin kein Baby.«
»Warum gehen, wenn man getragen werden kann?« Kane lachte. »Ich wette, Kleopatra ist niemals zu Fuß gegangen. Möchtest du nicht gern wie eine Königin behandelt werden?« Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern drehte sich um und trug sie zurück zu den Wagen. »Wollen sehen, was wir für Mylady zum Frühstück finden.«
Die Stimmung war ernst; sie alle wussten, dass es ihre letzte gemeinsame Mahlzeit war. Sogar Max bemerkte es offenbar; er aß schweigend und kehrte dann zu seinem Bett im zweiten Wagen zurück. Alle waren sich einig, dass sie ihn in Ruhe lassen wollten, während sie sich von Poppy verabschiedeten; er schien die Realität nicht mehr zu erkennen, und es hatte keinen Sinn, ihn weiter zu verwirren.
Der Bahnhof war ein lang gestrecktes viktorianisches Gebäude mit einem Wellblechdach und einem verschnörkelten Gitterwerk zwischen den Pfosten der breiten Veranda. Die Gleise am sauber gefegten Bahnsteig erstreckten sich in beide Richtungen, so weit das Auge reichte. Im Osten lagen Brisbane und die Küste, im Westen lag endloses Weideland, die Heimat der riesigen Rinderherden im Outback von Queensland. Ein Zug wartete schon. Rauch quoll aus dem Schlot, und weißer Dampf zischte zwischen den großen Eisenrädern hervor. Am Ende wurden Pferde verladen, und eine Rinderherde wurde über die Rampen in die Viehwaggons getrieben. Eine Hand voll Fahrgäste wartete auf das Zeichen zum Einsteigen.
Catriona saß zwischen den Kostümkörben und beobachtete,wie ihr Vater Poppy die Fahrkarte und den Rest ihrer Gage übergab. Tränenblind versuchte sie sich das Bild ihrer Freundin tief ins Gedächtnis einzugraben, um sie nie zu vergessen. Poppy hatte ein hübsch gemustertes Kattunkleid an, vorn geknöpft, mit weißem Kragen, Ärmelmanschetten und einem schmalen weißen Gürtel. Ein freches, selbst gemachtes Hütchen saß auf ihrem frisch gewaschenen Haar, und sie trug Handschuhe und blank polierte flache Schuhe mit einem Querriemen, der am Innenrist angeknöpft war. Noch nie hatte sie Poppy so adrett gesehen – und so verändert. Es war, als habe Poppy mit ihrem Entschluss fortzugehen sämtliche Rüschen und Fransen abgelegt und sei zu einer alltäglichen, farblosen Frau geworden, zu einer Fremden. Schon jetzt wurde der Abstand zwischen ihrer Vergangenheit und ihrer Zukunft zusehends größer.
Catriona stieg vom Wagen und stand bekümmert abseits, als ihre Freundin den anderen Lebewohl sagte. Sie bezwang ihre Tränen und tat ihr Bestes, um ein stoisches Gesicht zu wahren, als Poppy sie herzlich umarmte.
»Na, komm, Schätzchen«, sagte Poppy fürsorglich in ihr Haar. »Nur keine Tränen! Sei ein tapferes Mädchen!«
»Ich will aber nicht Lebewohl sagen«, schniefte Catriona. Sie löste sich aus der Umarmung und sah Poppy in die Augen.
»Ich auch nicht.« Poppys Stimme klang brüchig, aber in ihren blauen Augen war ein merkwürdiges Strahlen. »Darum gehe ich jetzt, bevor du mich zum Heulen bringst.«
Catriona hatte plötzlich eine glänzende Eingebung. Sie hielt Poppys Arm fest, als diese sich abwenden wollte. »Wenn du Mr Kane heiratest, dann brauchst du nicht wegzugehen und dir Arbeit zu suchen und all das.« Sie lächelte beglückt über diesen wundervollen Einfall in letzter Minute. »Du könntest bei uns bleiben und Kinder kriegen, und ich würde dir helfen, auf sie aufzupassen.« Ihr Entzücken verflog, als sie das Gesicht ihrer Freundin bemerkte.
Poppy war alles andere als begeistert von dieser Idee. Sie sah entsetzt aus. »Er ist nicht mein Typ«, sagte sie mit einem kurzen Blick zu Kane hinüber. »Und ich bin ganz bestimmt auch nicht seiner.« Sie zögerte, als wolle sie noch mehr sagen, doch dann tätschelte sie nur kurz Catrionas Wange. »Netter Einfall, Schätzchen, aber jetzt muss ich los, sonst verpasse ich den Zug. Ich hab dir ein paar von meinen Kleidern dagelassen. Sie sind ein bisschen verwaschen, aber sie passen dir sicher besser als dein altes Zeug. Gib Acht auf dich! Und ich weiß genau, eines Tages
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