Die Farm am Eukalyptushain
neben Kane stehen. »Er hat Recht, Kind«, sagte sie. »Du warst so krank, dass ich Angst hatte, ich würde dich auch verlieren.« Betrübt lächelnd nahm sie Catrionas Hände und hielt sie fest.
Catriona hatte keine Worte für die furchtbaren Empfindungen, die sie innerlich zerrissen.
Velda schob Catrionas Hände unter die Decke und trat vom Bett zurück. »Der Arzt sagt, du kannst morgen entlassen werden. Du hast dich sehr gut erholt, und er meint, du kannst auch wieder reisen.«
Catriona starrte die beiden an. Sie wollte nicht weg. Wollte nirgendwohin ohne ihren Dad. Wie konnte Mam nur daran denken? Blinzelnd versuchte sie zu hören, was Mr Kane sagte.
»Ich werde für euch beide sorgen.« Er legte einen Arm um Veldas schlanke Taille. »Wir brechen morgen nach Cairns auf.«
Catriona gefiel es nicht, wie Mr Kane ihre Mutter im Arm hielt und wie die zu ihm aufsah, als hänge ihr Leben von ihm ab. »Ich will aber nicht nach Cairns«, sagte sie halsstarrig. »Warum können wir nicht hier bleiben?«
Kane zog Velda an sich und murmelte ihr etwas ins Ohr. Sie lächelte Catriona traurig an und ging hinaus. Kane setzte sich wieder auf die Bettkante. »Deiner Mutter hat es das Herz gebrochen, und ich glaube nicht, dass du sie noch trauriger machen möchtest.« Er strich ihr eine Haarsträhne von der Wange. »Ich glaube, du weißt, wie schwer es ihr fallen würde, hier zu bleiben. Also sei ein braves Mädchen – nicht um meinetwillen, aber für deine Mutter.«
Seine Stimme klang sanft, aber Catriona entging der Unterton von stahlharter Entschlossenheit nicht, und ihr war klar, dass Kane das Kommando übernommen hatte. »Ich bin ja brav«, schniefte sie. »Ich will bloß bei meinem Dad bleiben.«
Er nahm ihre Hand. »Natürlich bist du brav«, sagte er. »Aber wir können nicht hier bleiben.« Er lächelte. »Pferd und Wagen sind schon verkauft. Ich habe Eisenbahnfahrkarten, und morgen fahren wir nach Cairns, wo man mir Arbeit angeboten hat.« Seine leuchtend blauen Augen schauten ihr fest ins Gesicht, und sein Finger strich über ihre Wange. »Von jetzt an, Catriona, werde ich für euch sorgen.«
FÜNF
V elda brachte es nicht über sich, den Friedhof noch einmal zu besuchen. Sie hatte so viele Tränen geweint, dass sie jetzt erschöpft war – und sie hatte auch Angst. Was sollte ohne Declan aus ihr und Catriona werden? Wie sollten sie sich durchschlagen? Wie sollte sie es schaffen, eine Arbeit und Unterkunft zu finden? Sie hatte so wenig Erfahrung mit dem Leben außerhalb der fahrenden Theatertruppe.
Catriona hörte ihrem panischen Gemurmel zu und begriff, dass ihre Mutter so sehr von der eigenen Trauer in Anspruch genommen war, dass sie kaum bemerkte, wie sehr auch Catriona litt. Velda stützte sich immer mehr auf Kane, körperlich wie geistig: Sie überließ ihm sämtliche Entscheidungen und klammerte sich an ihn wie eine Ertrinkende. Es war, als liege ihr nichts mehr an ihr selbst oder an ihrer Tochter. Sie bewegte sich wie ein Gespenst; alle Lebendigkeit war dahin, alle Kraft aufgebraucht. Sie hatte das Leben aufgegeben. Es kümmerte sie nicht mehr.
Catriona brachte ihre Mutter in das Wartezimmer der Station und sorgte dafür, dass sie es sich dort mit einem Buch bequem machte, während sie mit Kane zum Friedhof ging, um sich von Declan zu verabschieden. Als sie sich in der Tür noch einmal umdrehte, sah sie, dass das Buch ungeöffnet auf dem Schoß ihrer Mutter lag. Veldas Blick war ins Leere gerichtet. Schweren Herzens schob Catriona den Arm in die Schlinge und folgte Kane hinaus zum Grab.
Blumen konnte sie nicht kaufen, aber unterwegs pflückte sie Kängurupfoten und Tausendschön. Es war ein hübscher Friedhof – wenn man einen Friedhof »hübsch« nennen kann, dachte sie, als sie sich umschaute. Das Gras war kürzlich gemäht worden, und die Bäume waren voller Vögel. Es war still und friedlich, und auf ihre kindliche Art hoffte Catriona, dass ihr Vater hier Ruhe finden würde. Die Blumen hatten schon angefangen zu welken, als sie den Strauß auf den frischen Erdhügel legte. Sie warf noch einen Blick auf das einfache Holzkreuz, und dann gingen sie fort.
Am Neujahrstag 1933 erreichten sie Cairns. Catriona war erhitzt, durstig und müde. Ihr Kleid war schmutzig vom Ruß der Lokomotive, und sie sehnte sich nach einem Bad und einer richtigen Mahlzeit.
Es war eine weite Reise von Bundaberg herauf gewesen. Der Zug war langsam, das Warten an den entlegenen Bahnhöfen endlos gewesen. Das Essen hatte
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