Die Farm am Eukalyptushain
verflogen. »Ich rede, wie ich will«, sagte sie leise. »Sie sind nicht mein Vater.«
»Aber niemand außer mir vertritt seine Stelle, und du wirst tun, was ich sage.« Erbost tat er einen Schritt auf sie zu.
Sie wich weiter zurück. Die Treppe war hinter ihr. »Wo ist Mam?«
Seine blauen Augen waren eiskalt, sein Gesichtsausdruck unergründlich. »Sie will nicht gestört werden. Es geht ihr nicht gut, und du darfst sie nicht stören.« Er kam weiter auf sie zu, hart und entschlossen. »Velda ist sehr krank, Catriona; sie ist geistig angegriffen, und die kleinste Aufregung könnte zum Zusammenbruch führen.«
Catriona wollte ihm nicht glauben, aber sie wusste, dass er wahrscheinlich Recht hatte. Mam hatte sich in den letzten Monaten auf beängstigende Weise verändert. Sie wollte ihm eben antworten, als ein Schwarm Gäste lärmend die Halle betrat und Mr Kanes Aufmerksamkeit ablenkte. Mit einem erleichterten Seufzer rannte sie die Treppe hinauf. Er würde noch ein paarStunden zu tun haben – und auch wenn es ihrer Mutter schlecht ging, sie musste unbedingt mit ihr reden.
Auf dem obersten Treppenabsatz war es still. Die Türen waren geschlossen, und nirgends schimmerte Licht hervor. Auf Zehenspitzen schlich sie zum Zimmer ihrer Mutter und lauschte. Von drinnen kam kein Laut. Behutsam drehte sie den Türknauf und spähte durch den Spalt.
Velda lag im Bett und starrte an die Decke. Das Mondlicht fiel auf ihr müdes Gesicht und beleuchtete ihre Augen. »Was willst du, Catriona?«, fragte sie ungeduldig und zog die Bettdecke über ihre Schultern. »Ich habe Mr Kane gesagt, ich möchte nicht gestört werden.«
Catriona schloss die Tür hinter sich und ging zum Bett. »Ich wollte dir Gute Nacht sagen«, begann sie.
»Und? Jetzt hast du es getan. Du kannst gehen.«
»Warum bist du so zu mir, Mam? Was habe ich falsch gemacht?« Catriona blieb am Bett stehen, und wieder stiegen ihr die Tränen in die Augen. Aber sie war entschlossen, jetzt nicht zu weinen, sondern der Feindseligkeit ihrer Mutter in Ruhe zu begegnen.
Seufzend griff Velda nach dem Glas auf ihrem Nachttisch. Sie trank einen Schluck und ließ den Kopf wieder auf das Kissen sinken. »Du sprichst seit Wochen kaum noch mit mir«, sagte sie schließlich leise, und ihr nörgelnder Ton war inzwischen nur allzu vertraut. »Und wenn du es tust, bist du frech und unerträglich. Mr Kane und ich wissen wirklich nicht mehr, was wir mit dir machen sollen.«
»Mr Kane soll sich um seine eigenen verdammten Angelegenheiten kümmern«, fauchte Catriona.
»Genau das ist es, was ich meine«, seufzte Velda. »Wie kannst du es wagen, eine solche Ausdrucksweise zu benutzen? Mr Kane hat ganz Recht: Man muss dich von diesem Russen fern halten, wenn er dir solches Benehmen beibringt.«
»Es hat überhaupt nichts mit Dimitri zu tun«, antwortete Catriona wütend. »Mr Kane vergiftet dein Herz und hetzt dich gegen ihn auf. Siehst du das nicht?«
Veldas Augen waren trüb vor Müdigkeit, und sie zeigte keine Regung, als sie Catriona ansah. »Was ich sehe, ist ein eigensinniges Kind, das zu einem mürrischen, schlecht gelaunten jungen Mädchen mit unflätiger Ausdrucksweise heranwächst, und wenn die Vorbereitungen zu deinem Geburtstagsfest nicht schon im Gange wären, würde ich die ganze Sache abblasen. Geh auf dein Zimmer, Catriona!«
Jetzt strömten Catriona die Tränen doch über das Gesicht. »Ich will nicht«, antwortete sie schluchzend. »Ich bin da nicht gern.«
»Sei nicht albern!«, fuhr Velda sie an. »Es ist ein hübsches Zimmer, du undankbares Mädchen.«
Catriona dachte an die Nächte, in denen Kane zu ihr ins Zimmer gekommen war und sich auf ihr Bett gesetzt hatte. An die langen, stillen Minuten, die ihr wie Stunden erschienen waren, während er sie anstarrte, ehe er ihr einen Kuss auf den Mund aufnötigte. »Kann ich heute Nacht nicht bei dir schlafen, Mam? Wie früher im Wagen? Wir können uns aneinander kuscheln und über alte Zeiten plaudern und …« Sie bettelte jetzt. Verzweifelt wünschte sie, ihre Mutter könnte durch Worte und Tränen hindurch in ihr unglückliches Herz blicken.
Aber Velda blieb ungerührt. »Du bist viel zu groß, um noch in meinem Bett zu schlafen«, sagte sie. »Und ich brauche meine Nachtruhe. Morgen gibt es viel zu tun, wie du sehr wohl weißt.«
»Bitte, Mam!« Catriona streckte die Hand aus, aber ihre Mutter ignorierte sie. Das Mädchen setzte sich auf die Bettkante, wischte sich die Tränen ab und bemühte sich, ruhig
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