Die Farm am Eukalyptushain
zu sein. Sie musste ihrer Mutter jetzt alles erzählen. »Es tut mir leid, Mam«, sagte Catriona leise. »Ich will ja nicht frech und ungehorsam sein, wirklich nicht. Aber es gibt da etwas, das ich dir …«
»Es reicht, Kind.« Velda schob sie vom Bett. »Du hast dich schon öfter entschuldigt, aber an deinem Benehmen ändert sich herzlich wenig. Wenn dein Vater noch da wäre, würde es ihm das Herz brechen.«
»Wenn mein Vater noch da wäre, würde er mir zuhören, verdammt«, schrie Catriona.
»Hinaus!« Velda zeigte zur Tür. »Und komm erst wieder, wenn du dich gebessert hast. Du bist noch nicht zu groß für eine Tracht Prügel, mein Fräulein. Der Himmel weiß, verdient hast du sie seit Monaten.«
Catriona biss die Zähne zusammen und lief zur Tür. »Du bist ein selbstsüchtiges Biest«, fauchte sie. »Du jammerst und quengelst und führst dich auf, als wärest du die Einzige, die traurig ist. Du kümmerst dich einen Dreck um mich. Es geht immer nur um dich, um dich allein.« Sie holte tief Luft, erschrocken über die eigene Gehässigkeit und die harten Worte, die ihr so leicht über die Lippen gingen. Aber jetzt zeigte ihre Mutter wenigstens eine Reaktion. Sie drehte den Türknauf und blieb auf der Schwelle stehen. Rot vor Wut starrte sie ihre verdatterte Mutter an. »Aber ich bin auch traurig. Ich bin einsam, und ich habe Angst, und eines Tages wird es dir leid tun, dass du mir nicht zugehört hast.« Sie schlug die Tür hinter sich zu, so laut sie konnte, rannte den Gang hinunter zu ihrem Zimmer und schlug auch ihre eigene Tür hinter sich zu. Sie warf sich auf ihr Bett, vergrub das Gesicht im Kissen und weinte hemmungslos.
Am nächsten Morgen erwachte sie mit hämmernden Kopfschmerzen. Ihre Augen waren vom Weinen so verquollen, dass sie sie kaum öffnen konnte. Sie wagte nicht, sich über den Korridor ins Bad zu schleichen; also goss sie kaltes Wasser aus dem Krug in die Schüssel und wusch und schrubbte sich mit einem Waschlappen, bis ihre Haut rot war und brannte. Kanes Besuche in ihrem Zimmer und die Berührung seiner Hände hinterließen das Gefühl, ständig schmutzig zu sein.
Beim Anziehen erblickte sie sich unversehens in dem kleinen Spiegel, und sie sah, wie sehr sich das alles auf sie auswirkte. Sie sah es in ihren Augen, an den herabhängenden Mundwinkeln und an ihrer bleichen Haut, aber der Schaden reichte tiefer, das wusste sie. Er hatte ihre Seele berührt und sie verfinstert, und etwas darin starb langsam. »Warum sieht Mam das nicht?«, flüsterte sie und starrte ihr Spiegelbild an. Totenstille war die Antwort. Sie wandte sich ab und floh aus dem Zimmer.
»Da heute sehr viel zu tun ist, kannst du dich heute zur Abwechslung einmal nützlich machen«, sagte Edith, als Catriona in die Küche trat.
»Darf ich nicht wenigstens ein Geschenk auspacken?«, fragte sie, als sie einen Berg von Päckchen auf der Kommode bemerkte.
»Heute Abend«, sagte Edith streng, und ihr Ton duldete keinen Widerspruch.
Catriona wäre gern zu Dimitri gegangen, aber Edith war offenbar entschlossen, sie zu beschäftigen, und so verbrachte sie den Tag unter deren Kommando, räumte Gästezimmer auf, half in der Küche, sorgte für den Blumenschmuck und deckte die Tische.
Es sollte eine großartige Veranstaltung werden: Man feierte nicht nur ihren Geburtstag, sondern auch das Ende der ersten, sehr erfolgreichen Saison des Hotels. Die Gärtner hatten Ranken und Blumen hereingebracht; man hatte sie mit Bändern zu Girlanden geflochten und damit das Treppengeländer aus Eichenholz geschmückt. Auch der große Marmorkamin in der Halle war mit grünen Zweigen umkränzt, und zwischen den Blättern steckten lange weiße Kerzen. Im Speisesaal waren ebenfalls Hunderte von Kerzen aufgestellt worden, jeder Tisch war mit feinstem Leinen gedeckt, und Silberbesteck und Kristallgläser waren auf Hochglanz poliert. Auf allen Tischen standen Blumen, und große Sträuße prangten in allen Räumen des Erdgeschosses. Ihr Duft erfüllte das Haus, sodass Catriona davon schwindlig wurde. Siesehnte sich danach, in den Garten hinauszugehen, um frische Luft zu schnappen und Dimitri zu besuchen.
Doch Edith fand immer neue Aufgaben für sie, der Tag ging dahin, und Catriona begriff, dass Dimitri sich von dem Chaos fern hielt. Auch Kane war verschwunden, und das war merkwürdig, denn sonst war er immer dabei, erteilte kläffend seine Anweisungen und stand allen im Weg. Velda war gleichfalls nicht zu finden, weder in ihrem Zimmer noch
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