Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farm

Die Farm

Titel: Die Farm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
der Nähe. Die anderen - die Spruills und die Chandlers - arbeiteten sich zum Anhänger zurück. Die Mexikaner waren weit weg, von ihnen war nichts außer den Strohhüten zu sehen.
    Obwohl ich im Schatten lag, schwitzte ich stark. Mein Herz raste, mein Mund war trocken. Tally versteckte sich tief in der Baumwolle mit einem Mann und tat etwas Schlimmes, warum sollte sie sich sonst verstecken? Ich wollte etwas unternehmen, um sie aufzuhalten, aber dazu hatte ich kein Recht. Ich war nur ein kleines Kind, ein Spion, der sie belauschte. Ich dachte daran, mich wieder zurückzuziehen, aber die Stimmen hielten mich fest.
    Die Schlange war eine Mokassinschlange, eine von vielen in unserem Teil von Arkansas. Sie lebten in der Nähe von Bächen und Flüssen und krochen gelegentlich landeinwärts, um sich zu sonnen oder zu fressen. Jedes Frühjahr, wenn wir säten, störten wir sie mit unserem Pflug auf. Sie waren kurz, schwarz, dick, aggressiv und voller Gift. Ihr Biss war nur selten tödlich, aber ich hatte viele unglaubliche Geschichten über schreckliche Todeskämpfe gehört.
    Wenn man eine sah, erschlug man sie einfach mit einem Stock, einer Hacke oder dem nächstbesten Gegenstand. Sie waren nicht so schnell wie Klapperschlangen, noch hatten sie deren Reichweite, aber sie waren böse und gemein.
    Diese kroch direkt auf mich zu und war keine anderthalb Meter mehr von mir entfernt. Wir sahen einander in die Augen. Ich war so mit Tally und dem, was immer sie gerade tat, beschäftigt gewesen, dass ich alles andere um mich herum vergessen hatte. Ich stieß einen Entsetzenslaut aus, sprang auf und rannte durch eine Reihe Baumwolle und dann durch eine zweite.
    Ein Mann sagte etwas mit lauter Stimme, aber im Augenblick hatte ich mehr Angst vor der Schlange. Neben meinem Sack warf ich mich zu Boden, schnallte ihn mir über die Schulter und begann, in Richtung des Anhängers zu kriechen. Als ich sicher war, mich weit genug von der Mokassinschlange entfernt zu haben, hielt ich an und horchte. Nichts. Vollkommene Stille. Niemand verfolgte mich.
    Vorsichtig stand ich auf und spähte durch die Sträucher. Zu meiner Rechten, mehrere Reihen entfernt und den Rücken mir zugewandt, sah ich Tally, den Sack über der Schulter, den Strohhut schief auf dem Kopf; als wäre nichts geschehen, arbeitete sie sich langsam voran.
    Und zu meiner Linken schlich sich, geduckt und heimlich wie ein Dieb, Cowboy durch die Baumwolle.
    An den meisten Samstagen fand Pappy irgendeinen Grund, die Fahrt in die Stadt hinauszuzögern. Wir aßen zu Mittag, ich ließ das unwürdige Bad über mich ergehen, und dann suchte er sich etwas zu tun, weil er entschlossen war, uns warten zu lassen.
    Der Traktor hatte ein Zipperlein, um das er sich plötzlich kümmern musste. Er kroch mit seinen alten Schraubenschlüsseln darum herum, beteuerte wiederholt, dass diese Arbeit nicht aufzuschieben war, weil er die nötigen Ersatzteile in der Stadt kaufen wollte. Oder der Pick-up lief nicht richtig, und Samstagnachmittag nach dem Mittagessen war genau der richtige Zeitpunkt, um am Motor herumzutüfteln. Oder die Wasserpumpe bedurfte seiner Zuwendung. Bisweilen setzte er sich an den Küchentisch und erledigte die wenige Papierarbeit, die auf der Farm anfiel.
    Endlich, wenn alle richtig wütend waren, nahm er ein langes Bad, und dann brachen wir auf.
    Meine Mutter wollte unbedingt den jüngsten Bewohner von Craighead County sehen, auch wenn es ein Latcher war.
    Während Pappy im Geräteschuppen herumstöberte, luden wir vier Kisten mit Gemüse auf den Pick-up und fuhren über den Fluss. Mein Vater hatte es irgendwie geschafft, sich um den Ausflug zu drücken. Der mutmaßliche Vater des Babys war sein Bruder, und das bedeutete natürlich, dass er der mutmaßliche Onkel des Kindes war, und mein Vater war schlichtweg noch nicht bereit, das zu akzeptieren. Und er hatte bestimmt kein Interesse an einer weiteren Aussprache mit Mr Latcher.

    Meine Mutter fuhr, und ich betete, und irgendwie schafften wir es unversehrt über die Brücke. Auf der anderen Seite des Flusses rollten wir aus. Der Motor bockte und starb ab. Als sie tief Luft holte, sagte ich: »Mom, ich muss dir etwas sagen.«
    »Kann das nicht warten?«, fragte sie und griff nach dem Zündschlüssel.
    »Nein.«
    Wir saßen in dem heißen Wagen, gleich hinter der Brücke, auf einem einspurigen Feldweg, kein Haus oder anderes Fahrzeug in Sicht. Das schien mir der perfekte Ort und der richtige Zeitpunkt für ein wichtiges

Weitere Kostenlose Bücher