Die Farm
sehen. Dann trat der Mond wieder hervor, und da war er, den schmutzigen Cowboyhut schräg auf dem Kopf. Nach langer Zeit verließ er die Brücke und wusch sein Messer im Fluss. Er sah noch einmal aufs Wasser, dann wandte er sich um und begann, die Straße entlangzugehen. Er kam in einer Entfernung von ungefähr sieben Metern an mir vorbei, und ich fühlte mich, als wäre ich mindestens einen halben Meter tief in der Erde vergraben.
Ich wartete eine Ewigkeit, bis er lange außer Sicht war, bis er mich auf keinen Fall mehr hören konnte, dann kroch ich aus meinem kleinen Loch und begann meinen Rückweg. Ich wusste nicht, was ich zu Hause tun würde, aber zumindest wäre ich in Sicherheit. Mir würde schon etwas einfallen.
Ich duckte mich und streifte durch das hohe Johnson-Gras am Feldrand. Als Farmer hassten wir das Gras, aber jetzt war ich zum ersten Mal dankbar dafür. Ich wollte mich beeilen, mitten auf der Straße so schnell wie möglich nach Hause laufen, aber ich hatte Angst, und meine Beine waren schwer. Müdigkeit und Angst hatten mich gepackt, und bisweilen konnte ich kaum mehr gehen. Es dauerte ewig, bis ich die Umrisse unseres Hauses und der Scheune sah. Ich starrte auf die Straße vor mir und war überzeugt, dass Cowboy dort irgendwo lauerte und alles im Blick hatte. Ich versuchte, nicht an Hank zu denken.
Meine einzige Sorge war, nach Hause zu kommen.
Als ich stehen blieb, um Atem zu schöpfen, roch ich den unverkennbaren Geruch eines Mexikaners. Sie wuschen sich nur selten, und nach ein paar Tagen Feldarbeit nahmen sie einen ganz eigenen Geruch an.
Der Geruch verflog sofort wieder, und nach ein paar Minuten schweren Atmens fragte ich mich, ob ich es mir nicht eingebildet hatte. Um kein Risiko einzugehen, zog ich mich erneut in das Feld der Jeters zurück und schlug mich lautlos Reihe um Reihe Richtung Osten durch. Als ich die weißen Zelte der Spruills sah, wusste ich, dass ich es fast geschafft hatte.
Was würde ich von Hank erzählen? Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit. Zu viele Geheimnisse lasteten auf mir; ich hatte keinen Platz mehr für ein weiteres, vor allem nicht für ein so schreckliches. Ich wollte in Rickys Zimmer kriechen und schlafen, und wenn mein Vater mich weckte, um Eier und Milch zu holen, würde ich ihm die ganze Geschichte erzählen.
Jeden Schritt, jede Bewegung, jeden Messerstich. Er und Pappy würden in die Stadt fahren und Stick Powers von dem Mord berichten, und mittags säße Cowboy bereits im Gefängnis.
Wahrscheinlich würde er noch vor Weihnachten hängen.
Hank war tot. Cowboy käme ins Gefängnis. Die Spruills würden packen und verschwinden, aber das war mir gleichgültig. Ich wollte nie wieder einen Spruill sehen, nicht einmal Tally. Ich wollte, dass sie alle von unserer Farm und aus unserem Leben verschwanden.
Ich wollte, dass Ricky nach Hause käme und die Latchers fortzögen, dann wäre alles wieder wie früher.
Als ich nicht mehr weit von der Veranda vor dem Haus entfernt war, beschloss ich, meine Deckung zu verlassen. Ich war mit den Nerven und mit meiner Geduld am Ende. Seit Stunden versteckte ich mich, und ich hatte es satt. Ich ging zum Ende einer Reihe Baumwolle und machte einen Schritt über den Graben auf die Straße. Ich horchte einen Augenblick und begann zu laufen. Nach zwei, vielleicht drei Schritten hörte ich ein Geräusch in meinem Rücken, dann schlug eine Hand meine Beine zusammen, und ich fiel hin. Cowboy war über mir, ein Knie auf meiner Brust, die Messerklinge einen Zentimeter von meiner Nase entfernt. Seine Augen glühten.
»Keinen Ton!«, zischte er.
Wir atmeten beide schwer und schwitzten ausgiebig, und sein Geruch drang mir in die Nase; zweifellos der gleiche Geruch, den ich ein paar Minuten zuvor gerochen hatte. Ich hörte auf, mich zu winden, und biss die Zähne zusammen. Sein Knie bohrte sich in meine Brust.
»Warst du am Fluss?«, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf. Schweiß tropfte von seinem Kinn in meine Augen und brannte. Er bewegte das Messer ein wenig, als könnte ich es sonst nicht sehen.
»Wo warst du dann?«, fragte er.
Ich schüttelte wieder den Kopf; ich konnte nicht sprechen.
Dann bemerkte ich, dass ich am ganzen Körper zitterte - vor Todesangst.
Als ihm klar war, dass ich keinen Ton herausbrachte, berührte er mit der Messerspitze meine Stirn. »Wenn du ein Wort über heute Abend sagst«, sagte er langsam, seine Augen beredter als seine Zunge, »dann bring ich deine Mutter um. Verstanden?«
Ich nickte
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