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Die Farm

Die Farm

Titel: Die Farm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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meinen Ohren rauschte es leise. Die Welt drehte sich langsamer als gewöhnlich. Ich sehnte mich nach einem Versteck.
    »Nichts«, sagte ich. Sogar meine Stimme klang anders - leise und heiser.
    »Bist du immer noch müde?«
    »Ja, Ma’am.«
    Ich wollte gern einen Monat lang müde sein, wenn ich deswegen nicht auf die Felder und in die Nähe von Cowboy müsste.
    Wir sahen uns Trots Hausanstrich an. Weil wir da waren und nicht Baumwolle pflückten, war Trot nirgendwo zu sehen.
    Sobald wir das Haus verließen, würde er zu seinem Projekt zurückkehren. Die Ostwand war jetzt fast über die ganze Länge in einer Höhe von ungefähr einem Meter gestrichen.
    Und zwar sauber und ordentlich, offensichtlich das Werk von jemandem, der sich Zeit lassen konnte.
    Bei seinem derzeitigen Tempo war es ausgeschlossen, dass Trot mit der Wand fertig würde, bevor die Spruills aufbrachen. Was würde passieren, nachdem sie weg waren? Wir konnten nicht in einem Haus mit einer zweifarbigen Ostwand wohnen.
    Aber das war im Augenblick meine geringste Sorge.
    Meine Mutter beschloss, dass sie Tomaten einmachen würde.
    Sie und Gran verbrachten im Sommer und frühen Herbst Stunden damit, Gemüse aus unserem Garten zu konservieren -
    Tomaten, Erbsen, Bohnen, Okra, Ruten-Kohl, Mais.

    Bis zum ersten November stünden vier Reihen Ein-Liter-Gläser auf den Regalen in der Vorratskammer, genug, um uns durch den Winter und die ersten Wochen des Frühjahrs zu bringen. Und natürlich machten sie genug ein, um anderen, die es nötig hatten, auszuhelfen. Ich zweifelte nicht daran, dass wir in den nächsten Monaten mit Konserven zu den Latchers fahren würden, weil wir jetzt ja miteinander verwandt waren.
    Dieser Gedanke machte mich wütend, andererseits bedrückten mich auch die Latchers nicht länger.
    Meine Aufgabe war es, Tomaten zu enthäuten. Anschließend wurden sie gehackt und in einem großen Topf kurz gekocht, bis sie weich waren, dann mit einem Esslöffel Salz in Litergläser gefüllt und mit neuen Deckeln verschlossen. Wir benutzten jedes Jahr die gleichen Gläser, aber wir kauften immer neue Deckel. Eine winzige undichte Stelle genügte, und ein ganzes Glas wäre verdorben. Es war immer ein unerfreulicher Augenblick, wenn Gran oder meine Mutter im Winter ein Glas öffneten und sein Inhalt nicht mehr zu gebrauchen war. Das kam nicht oft vor.
    Wenn die Gläser gefüllt und verschlossen waren, wurden sie in den großen, halb mit Wasser gefüllten Einmachtopf gestellt.
    Darin kochten sie eine Stunde lang unter Druck, um verbliebene Luft zu entfernen und die Gläser noch fester zu verschließen. Gran und meine Mutter waren sehr pingelig, wenn es ums Einmachen ging. Sie waren stolz auf ihre Konserven, und ich hörte die Frauen in der Kirche oft prahlen, dass sie so und so viele Gläser mit Wachsbohnen oder mit diesem oder jenem eingemacht hätten.
    Das Einmachen begann, sobald etwas im Garten zu ernten war.
    Gelegentlich war ich gezwungen, mitzuhelfen, und das hasste ich. Heute war es anders. Heute war ich froh, bei meiner Mutter in der Küche zu sein, weit weg von Cowboy auf den Feldern.
    Ich stand an der Spüle mit einem scharfen Messer in der Hand, und als ich in die erste Tomate schnitt, dachte ich an Hank auf der Brücke. Das Blut, das Klappmesser, der Schmerzensschrei nach dem ersten Stich, dann der wortlose Ausdruck des Entsetzens, als die weiteren Stiche folgten. In diesem Augenblick wusste Hank wohl, dass er von jemandem niedergemetzelt wurde, der es nicht zum ersten Mal tat. Er wusste, dass er ein toter Mann war.
    Mein Kopf schlug gegen ein Stuhlbein. Als ich auf dem Sofa wieder zu mir kam, hielt meine Mutter Eis auf eine Beule über meinem rechten Ohr. Sie lächelte und sagte: »Du bist ohnmächtig geworden, Luke.«
    Ich wollte etwas sagen, aber mein Mund war zu trocken. Sie gab mir einen Schluck Wasser zu trinken und erklärte, dass ich in nächster Zeit nirgendwo hingehen würde. »Bist du müde?«, fragte sie. Ich nickte und schloss die Augen.
    Zweimal im Jahr ließ der Distrikt Kies auf unserer Straße abladen. Lastwagen brachten den Kies, und gleich dahinter fuhr eine Planiermaschine und verteilte ihn. Dieses Fahrzeug wurde von einem alten Mann gesteuert, der in der Nähe von Caraway lebte. Über einem Auge trug er eine schwarze Klappe, und seine linke Gesichtshälfte war so mit Narben übersät und entstellt, dass ich stets zusammenzuckte, wenn ich ihn sah. Er war im Ersten Weltkrieg verwundet worden, laut Pappy, der behauptete,

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