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Die Farm

Die Farm

Titel: Die Farm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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mehr über den alten Mann zu wissen, als er zu erzählen bereit war. Er hieß Otis.
    Otis hatte zwei Affen, die ihm dabei halfen, die Straßen um Black Oak zu planieren. Es waren kleine schwarze Tiere mit langen Schwänzen, und sie liefen auf der Maschine herum, hüpften manchmal sogar auf die Hobelschar, nur ein paar Zentimeter über der Erde und dem Kies. Dann wieder saßen sie auf seiner Schulter oder hinten auf seinem Sitz oder balancierten über die lange Stange, die vom Lenkrad nach vorne führte. Während Otis auf der Straße auf und ab fuhr, die Hebel bediente, den Winkel und die Höhe des Hobels veränderte und Tabaksaft ausspuckte, sprangen und schwangen die Affen furchtlos herum und schienen einen Mordsspaß zu haben.
    Wenn wir Kinder es aus irgendeinem schrecklichen Grund nicht schaffen sollten, bei den Cardinals zu spielen, dann wollten wir Planiermaschinenfahrer werden. Es war eine große mächtige Maschine, die ein einziger Mann steuerte, und die vielen Hebel mussten mit absoluter Präzision gehandhabt, Hände und Füße geschickt koordiniert werden. Außerdem waren ebene Straßen unerlässlich für die Farmer im ländlichen Arkansas. Es gab kaum wichtigere Jobs, zumindest in unseren Augen.
    Wir hatten keine Ahnung, was man dabei verdiente, aber wir waren überzeugt, dass es mehr einbrachte als die Baumwolle.

    Als ich den Dieselmotor hörte, wusste ich, dass Otis da war.
    Ich ging Hand in Hand mit meiner Mutter zum Rand der Straße, und tatsächlich, zwischen unserem Haus und der Brücke lagen drei Ladungen Kies. Otis verteilte den Kies, arbeitete sich langsam zu uns vor. Wir stellten uns unter einen Baum und warteten.
    Mein Kopf war klar, und ich fühlte mich stark. Meine Mutter berührte mich immer wieder an der Schulter, als hätte sie Angst, dass ich noch einmal in Ohnmacht fallen würde. Als Otis näher bei uns war, trat ich an den Straßenrand. Der Motor dröhnte, die Hobelschar wirbelte Erde und Kies auf. Unsere Straße wurde ausgebessert, ein überaus bedeutendes Ereignis.

    Manchmal winkte Otis, manchmal winkte er nicht. Ich sah seine Narben und seine schwarze Augenklappe. Ach, die vielen Fragen, die ich ihm hätte stellen wollen!
    Und ich bemerkte, dass er nur noch einen Affen hatte. Er saß auf dem Aufbau neben dem Lenkrad und blickte sehr traurig drein. Ich schaute mich vergeblich nach seinem kleinen Gefährten um. Wir winkten Otis zu, der uns einen Blick zuwarf, aber nicht winkte. In unserer Welt war das eine große Unhöflichkeit, aber Otis war eben anders. Wegen seiner Kriegsverletzungen hatte er keine Frau und keine Kinder und lebte vollkommen isoliert.
    Plötzlich hielt die Maschine an. Otis wandte sich um und sah mit seinem guten Auge zu mir herunter, dann signalisierte er mir, zu ihm hinaufzusteigen. Ich setzte mich sofort in Bewegung, und meine Mutter stürzte los, um mich davon abzuhalten. Otis rief: »Ist schon okay. Ihm wird nichts passieren.« Das hätte er sich sparen können: Ich kletterte schon zu ihm hinauf.

    Er griff nach meiner Hand und zog mich zu der Plattform hinauf, auf der er saß. »Stell dich dort hin«, sagte er barsch und deutete neben sich. »Und halt dich dort fest«, brummte er, und ich klammerte mich an einen Griff neben einem wichtig aussehenden Hebel, den ich mich nicht zu berühren traute. Ich blickte zu meiner Mutter hinunter, die die Hände in die Hüften gestemmt hatte. Sie schüttelte den Kopf, als hätte sie mich am liebsten erwürgt, aber ich entdeckte auch die Andeutung eines Lächelns.

    Er trat aufs Gas, und der Motor hinter uns heulte auf. Dann trat er auf die Kupplung, legte einen Gang ein und wir setzten uns in Bewegung. Zu Fuß wäre ich schneller gewesen, aber weil der Dieselmotor so einen Krach verursachte, schien es, als würden wir rasen.
    Ich stand links von Otis, nahe bei seinem Gesicht, und versuchte, nicht auf seine Narben zu blicken. Nach ein paar Minuten schien er mich vergessen zu haben. Der Affe jedoch war überaus neugierig. Er beobachtete mich, als wäre ich ein Eindringling, dann näherte er sich langsam auf allen vieren, als wollte er sich gleich auf mich stürzen. Er sprang auf Otis’
    rechte Schulter, ging um seinen Nacken herum, machte es sich auf seiner linken Schulter bequem und starrte mich an.
    Ich starrte ihn an. Er war nicht größer als ein kleines Eichhörnchen, hatte ein seidiges dunkles Fell und kleine schwarze Augen, dazwischen einen ganz schmalen Nasenrücken. Sein langer Schwanz hing über Otis’ Brust. Otis

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