Die Farm
an diesem Abend einschlief, betete ich um Regen. Ich bat Gott inständig, die größte Flut seit Noah zu schicken.
Am Samstagmorgen saßen wir beim Frühstück, als Pappy über die Veranda in die Küche stapfte. Ein Blick in sein Gesicht, und unsere Neugier war befriedigt. »Der Fluss ist mehr als zehn Zentimeter gestiegen, Luke«, sagte er zu mir, als er sich setzte und zu essen begann. »Und im Westen blitzt es.«
Mein Vater runzelte die Stirn, kaute jedoch weiter. Wenn es ums Wetter ging, war er immer pessimistisch. Wenn das Wetter gut war, war es nur eine Frage der Zeit, bis es umschlug. Wenn es schlecht war, dann entsprach das seinen Erwartungen. Gran nahm die Nachricht völlig ungerührt auf.
Ihr jüngerer Sohn kämpfte in Korea, und das war bei weitem wichtiger als der nächste Regenguss. Sie war nie weg gewesen, und sie wusste, dass es gute und schlechte Jahre gab, aber das Leben ging weiter. Gott schenkte uns das Leben und Gesundheit und genügend zu essen, und das war mehr, als die meisten von sich behaupten konnten. Außerdem hatte Gran keine Geduld mit den ständigen Sorgen wegen des Wetters.
»Man kann ja nichts dagegen machen«, sagte sie immer.
Meine Mutter lächelte nicht und runzelte auch nicht die Stirn, aber sie blickte merkwürdig zufrieden drein. Sie war entschlossen, ihr Leben nicht damit zu verbringen, dem Land eine magere Existenz abzuringen. Und noch entschlossener war sie, dass ich nicht Farmer werden sollte. Ihre Tage auf der Farm waren gezählt, und eine weitere schlechte Ernte würde unseren Aufbruch nur beschleunigen. Als wir mit dem Frühstück fertig waren, hörten wir den Donner. Gran und meine Mutter räumten das Geschirr ab und kochten dann eine weitere Kanne Kaffee. Wir saßen um den Tisch, unterhielten uns und horchten gespannt, wie heftig das Gewitter ausfallen würde.
Ich dachte, dass mein Gebet erhört worden war, und fühlte mich schuldig, etwas so Unheilvolles gewünscht zu haben.
Aber das Gewitter zog nach Norden. Es regnete nicht. Um sieben Uhr waren wir auf den Feldern, pflückten Baumwolle und sehnten uns nach dem Mittag.
* * *
Als wir in die Stadt fuhren, kletterte nur Miguel auf die Ladefläche des Pick-ups. Die anderen Mexikaner würden arbeiten, erklärte er, und er müsse ein paar Dinge für sie einkaufen. Ich war maßlos erleichtert, weil ich nicht gezwungen war, Zeit in Cowboys Nähe zu verbringen.
Am Rand von Black Oak fing es an zu regnen, ein kühles Nieseln, kein heftiger Regenschauer. Auf den Gehsteigen drängten sich die Menschen unter den Baldachinen und Baikonen der Läden und Häuser in dem vergeblichen Versuch, nicht nass zu werden.
Das Wetter hielt viele Familien von der Stadt fern. Das wurde offensichtlich, als um vier Uhr die Nachmittagsvorstellung im Dixie begann. Die Hälfte der Plätze war nicht besetzt, ein untrügliches Zeichen, dass es sich nicht um einen normalen Samstagnachmittag handelte. Mitten im Film flackerten die Lichter im Gang, dann wurde die Leinwand schwarz. Wir saßen im Dunkeln, bereit, in Panik auszubrechen und hinauszurennen, und horchten auf den Donner.
»Stromausfall«, sagte eine offizielle Stimme ganz hinten. »Bitte, geht langsam hinaus.«
Wir drängten uns in den überfüllten Vorraum und sahen zu, wie sich der Regen auf die Main Street ergoss. Der Himmel war dunkelgrau, und die paar Autos, die vorbeifuhren, hatten die Scheinwerfer eingeschaltet.
Obwohl wir Kinder waren, wussten wir, dass es zu viel regnete, dass es zu viel gewitterte, zu viele Gerüchte über steigende Wasserpegel in Umlauf waren. Überschwemmungen gab es normalerweise nur im Frühjahr, selten während der Erntezeit. In einer Welt, in der alle entweder Farmer waren oder von Farmern lebten, war eine Regenperiode mitten im Oktober etwas Deprimierendes.
Als es etwas nachließ, rannten wir die Gehsteige entlang auf der Suche nach unseren Eltern. Starke Regenfälle bedeuteten schlammige Straßen, und bald wäre die Stadt leer, weil die Farmersfamilien vor Einbruch der Dunkelheit nach Hause fahren würden. Mein Vater hatte davon gesprochen, ein Sägeblatt zu kaufen, deswegen lief ich zur Eisenwarenhandlung in der Hoffnung, ihn dort zu finden. Im Laden wimmelte es von Menschen, die warteten und das Wetter beobachteten.
Alte Männer erzählten Geschichten von lange zurückliegenden Überschwemmungen. Frauen sprachen davon, wie sehr es in anderen Städten geregnet hatte - in Paragould, Lepanto und Manila. In den Gängen standen Leute, die sich
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