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Die Farm

Die Farm

Titel: Die Farm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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ein kleineres Ärgernis.
    Als wir die Landstraße erreicht hatten, dachte ich, dass ich mich meiner Last vielleicht schon bald würde entledigen können. Ich könnte es Pappy erzählen, allein, unter vier Augen.
    Cowboy wäre bald zurück in Mexiko, sicher in dieser fremden Welt. Die Spruills wären nach Hause zurückgekehrt, und Hank wäre nicht da. Ich könnte es Pappy erzählen, und er würde wissen, was zu tun war.
    Hinter einem weiteren Anhänger fuhren wir nach Black Oak zur Entkörnungsanlage. Nachdem wir geparkt hatten, stieg ich aus und hielt mich eng an Pappy. Ein paar Farmer standen vor dem Büro und diskutierten ernst. Wir gingen zu ihnen und hörten zu.

    Die Neuigkeiten waren schlecht und bedrohlich. In der Nacht zuvor waren im Clay County nördlich von uns heftige Regenfälle niedergegangen. An manchen Orten betrug die Niederschlagsmenge fast sechzehn Zentimeter in zehn Stunden. Das Clay County befand sich stromaufwärts am St.
    Francis. Die Bäche und Flüsse dort waren über die Ufer getreten und ergossen sich in den großen Fluss.
    Der Wasserstand stieg.
    Es wurde darüber debattiert, ob diese Ereignisse auch uns betreffen würden. Die Minderheitsmeinung besagte, dass die Regenfälle kaum Auswirkungen auf uns in Black Oak hätten.
    Wir waren zu weit entfernt, und wenn es nicht weiter regnete, würde der St. Francis auch mit ein bisschen Wasser mehr nicht über die Ufer treten. Aber die meisten waren wesentlich pessimistischer, und da sich die Farmer von Berufs wegen ständig Sorgen machten, wurden die Neuigkeiten mit großen Bedenken aufgenommen.
    Ein Farmer meinte, dass sein Bauernkalender für Mitte Oktober schwere Regenfälle voraussagte.
    Ein anderer erzählte, dass sein Cousin in Oklahoma überschwemmt worden sei, und da unser Wetter aus dem Westen kam, war er von der Unvermeidlichkeit von Regen überzeugt. Pappy murmelte, dass das Wetter aus Oklahoma schneller hier einträfe als Neuigkeiten.
    Es wurde heftig diskutiert, die verschiedensten Meinungen kamen zu Wort und die allgemeine Stimmung war düster. Wir waren so viele Male vom Wetter geprügelt worden oder vom Markt oder den Preisen für Samen und Dünger, dass wir mit dem Schlimmsten rechneten.
    »Seit zwanzig Jahren hat es im Oktober keine Überschwemmungen mehr gegeben«, erklärte Mr Red Fletcher und entfachte damit eine hitzige Debatte über die Geschichte von Überschwemmungen im Herbst. Es wurden so viele verschiedene Versionen und Erinnerungen zum Besten gegeben, dass schließlich eine hoffnungslose Verwirrung herrschte.
    Pappy mischte sich nicht ein, und nachdem wir eine halbe Stunde zugehört hatten, zogen wir uns zurück. Er kuppelte den Anhänger ab, und wir fuhren nach Hause, schweigend natürlich. Ein paar Mal warf ich ihm einen Blick zu, und er saß da, wie ich erwartet hatte - stumm, besorgt, beide Hände am Lenkrad, die Stirn in Falten gelegt, mit den Gedanken ausschließlich bei der bevorstehenden Überschwemmung. Wir hielten an der Brücke an und gingen ans Ufer des St. Francis River. Pappy betrachtete ihn eine Weile, als könnte er das Wasser ansteigen sehen. Ich hatte Angst, dass Hank jeden Augenblick auftauchen und zu unseren Füßen ans Ufer treiben würde. Wortlos hob Pappy einen ungefähr drei Zentimeter dicken und einen Meter langen Treibholzstecken auf. Er brach ein Stück davon ab und trieb es mit einem Stein in den Kies, wo das Wasser ungefähr fünf Zentimeter hoch war. Mit seinem Taschenmesser schnitt er eine Kerbe in Höhe des Wasserspiegels. »Morgen früh sehen wir nach«, sagte er, seine ersten Worte seit langem.
    Eine Zeit lang betrachteten wir unseren neuen Messstab in der Gewissheit, den Fluss ansteigen zu sehen. Als das nicht der Fall war, kehrten wir zu unserem Auto zurück.
    Der Fluss machte mir Angst, aber nicht weil er womöglich über die Ufer treten würde. Hank war dort draußen, niedergestochen und tot und aufgeschwemmt vom Fluss-wasser, bereit an Land zu treiben, wo jemand ihn finden würde. Dann hätten wir es mit einem echten Kapitalver-brechen zu tun, nicht nur mit Totschlag wie bei der Sisco-Schlägerei, sondern mit vorsätzlichem Mord.
    Der Regen würde Cowboy vertreiben. Und der Regen würde den Fluss ansteigen und schneller fließen lassen. Hank oder das, was von ihm übrig war, würde flussabwärts in einen anderen Distrikt oder vielleicht sogar in einen anderen Staat treiben, wo ihn eines Tages jemand finden würde und nicht die geringste Ahnung hätte, wer er gewesen war. Bevor ich

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