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Die Farm

Die Farm

Titel: Die Farm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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dem Einschlafen vor. Nur meine Mutter und ich lasen, die anderen nicht. Sie mochte Geschichten aus der Bibel, mir war es recht. Sie las ein Stück, erklärte mir ein paar Dinge und las weiter. Jede Geschichte lehrte uns etwas, und sie sorgte dafür, dass ich die Lektion verstand. Nichts irritierte mich mehr als Bruder Akers, der jedes Detail seiner ewig langen Predigten vermasselte.
    Als ich schlafen wollte, fragte ich sie, ob sie bei mir in Rickys Bett bleiben würde, bis ich eingeschlafen wäre.
    »Natürlich«, sagte sie.

    N achdem ich mich einen Tag ausgeruht hatte, war es ausgeschlossen, dass mein Vater meine Abwesenheit auf den Feldern noch länger tolerierte. Er warf mich um fünf aus dem Bett, und wir holten wie üblich Eier und Milch.
    Ich wusste, dass ich mich nicht länger im Haus bei meiner Mutter verstecken konnte, und so bereitete ich mich tapfer darauf vor, Baumwolle zu pflücken. Bevor er nach Hause zurückkehrte, würde ich Cowboy gegenübertreten müssen.
    Am besten ich brachte es bald und in Gegenwart vieler Leute hinter mich.
    Die Mexikaner gingen zu Fuß, statt auf dem Anhänger zu fahren. So konnten sie ein paar Minuten früher mit dem Pflücken anfangen und eine Begegnung mit den Spruills vermeiden. Kurz vor Tagesanbruch verließen wir das Haus. Ich hielt mich an Pappys Sitz auf dem Traktor fest und sah zu, wie das Gesicht meiner Mutter im Küchenfenster immer kleiner wurde. Am Abend zuvor hatte ich lange und inbrünstig gebetet, und irgendwie wusste ich, dass ihr nichts passieren würde.
    Während wir langsam auf dem Feldweg dahintuckerten, studierte ich den John-Deere-Traktor. Ich hatte Stunden darauf verbracht, geackert, geeggt, gesät und hin und wieder mit meinem Vater oder Pappy Baumwolle in die Stadt gefahren, und seine Funktionsweise war mir stets ausreichend kompliziert und interessant erschienen. Jetzt, nach einer halben Stunde auf der Planiermaschine mit ihrem verwirrenden Sortiment von Hebeln und Pedalen, wirkte der Traktor ziemlich simpel. Pappy saß einfach nur da, Hände auf dem Lenkrad, die Füße reglos, halb schlafend - Otis dagegen war ständig in Bewegung gewesen -, ein weiterer Grund, warum ich Straßen planieren und nicht Farmer werden wollte, natürlich nur wenn nichts aus meiner Baseballkarriere würde, was höchst unwahrscheinlich war.
    Die Mexikaner waren schon auf halber Strecke in einer Reihe Baumwolle verschwunden und interessierten sich nicht für unsere Ankunft. Ich wusste, dass Cowboy dabei war, aber im dämmrigen Licht konnte ich sie nicht auseinander halten.
    Ich mied ihn bis zur Mittagspause. Offenbar hatte er mich irgendwann bemerkt und sich vermutlich gedacht, dass eine kleine Erinnerungshilfe nicht schaden könnte. Während die anderen Mexikaner im Schatten des Baumwollanhängers Reste aßen, fuhr Cowboy mit uns zurück. Er saß allein auf einer Seite des Anhängers, und ich ignorierte ihn, bis wir fast beim Haus waren.
    Als ich endlich den Mut aufbrachte, ihn anzusehen, säuberte er sich die Fingernägel mit der Klinge des Klappmessers, und er reagierte auf der Stelle. Er lächelte - ein boshaftes Grinsen, das mehr sagte als tausend Worte - und winkte mir kaum merklich mit dem Messer zu. Niemand außer mir sah es, und ich blickte sofort wieder weg.
    Unser Pakt war noch einmal bestätigt worden.
    Am Spätnachmittag war der Baumwollanhänger voll. Nach einem schnellen Essen verkündete Pappy, dass er und ich ihn in die Stadt bringen würden. Wir fuhren auf die Felder, kuppelten ihn an den Pick-up und verließen dann unsere Farm auf unserer frisch ausgebesserten Straße. Otis war ein wahrer Künstler. Die Straße war vollkommen eben, das merkte man sogar in Pappys altem Pick-up.
    Wie üblich sprach Pappy während der Fahrt nicht, und das war mir nur recht, weil ich auch nichts zu sagen hatte. Ich hatte zwar jede Menge Geheimnisse, aber keine Möglichkeit, die Last mit jemandem zu teilen. Wir fuhren langsam über die Brücke, und ich blickte auf das träge dahinfließende Wasser hinunter, sah jedoch nichts Ungewöhnliches - kein Blut oder sonst einen Hinweis auf das Verbrechen, dessen Zeuge ich geworden war.
    Mehr als ein ganzer Tag war seit dem Mord vergangen, ein normaler Arbeitstag auf der Farm. Bei jedem Atemzug dachte ich an mein Geheimnis, aber ich ließ mir nichts anmerken, fand ich. Meiner Mutter würde nichts geschehen, und das war das Wichtigste.
    Wir fuhren am Weg zu den Latchers vorbei, und Pappy blickte in ihre Richtung. Im Moment waren sie nur

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