Die Farm
erklärte, dass ich viel üben müsse. Auch läse ich nicht mehr allzu flüssig.
»Siehst du, was das Baumwollpflücken mit dir macht?«, sagte sie.
Wir waren allein in Rickys Zimmer und lasen einander noch etwas vor, bevor ich ins Bett musste. »Ich möchte dir ein Geheimnis anvertrauen«, flüsterte sie. »Kannst du es für dich behalten?«
Wenn du wüsstest, dachte ich. »Klar.«
»Versprochen?«
»Klar.«
»Du darfst es niemandem weitererzählen, nicht einmal Pappy und Gran.«
»Okay, was ist es?«
Sie beugte sich näher zu mir. »Dein Vater und ich denken daran, nach Norden zu gehen.«
»Und was ist mit mir?«
»Du kommst auch mit.«
Ich war erleichtert. »Will er so arbeiten wie Jimmy Dale?«
»Genau. Dein Vater hat mit Jimmy Dale gesprochen, und er kann ihm eine Stelle im Buick-Werk in Flint, Michigan, beschaffen. Dort wird er gutes Geld verdienen. Wir wollen nicht ewig bleiben, aber dein Vater braucht eine feste Arbeit.«
»Was ist mit Pappy und Gran?«
»Die werden nie von hier weggehen.«
»Werden sie weiter Farmer bleiben?«
»Wahrscheinlich. Wüsste nicht, was sie sonst tun sollten.«
»Wie können sie das ohne uns machen?«
»Das werden sie schon schaffen. Hör mal, Luke, wir können hier nicht Jahr für Jahr herumsitzen und Geld verlieren und immer mehr leihen. Dein Vater und ich wollen etwas anderes versuchen.«
Ich hatte gemischte Gefühle, was das anging. Ich wollte, dass meine Eltern glücklich wären, und meine Mutter wäre auf einer Farm nie zufrieden, noch dazu wenn sie bei ihren Schwiegereltern wohnen musste. Ich wollte einerseits keinesfalls Farmer werden, andererseits war meine Zukunft bei den Cardinals gesichert.
Der Gedanke, den Ort zu verlassen, an dem ich mein ganzes Leben verbracht hatte, war beunruhigend. Und ein Leben ohne Pappy und Gran konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen.
»Das wird aufregend werden, Luke«, sagte sie noch immer flüsternd. »Vertrau mir.«
»Wahrscheinlich hast du Recht. Aber isses da oben nicht kalt?«
»Ist es«, korrigierte sie mich. »Im Winter gibt es viel Schnee, aber das wird bestimmt Spaß machen. Wir bauen einen Schneemann und machen Eiscreme aus Schnee, und wir werden weiße Weihnachten haben.«
Ich erinnerte mich an Jimmy Dales Geschichten. Dass er die Detroit Tigers gesehen hatte, dass die Leute gute Jobs und Fernsehgeräte hatten und dass die Schulen besser waren. Dann fiel mir seine Frau ein, die grässliche Stacy mit ihrer quengligen nasalen Stimme und wie ich sie im Klo erschreckt hatte.
»Reden sie da oben nicht komisch?«, fragte ich.
»Ja, aber wir werden uns daran gewöhnen. Es wird ein Abenteuer, Luke, und wenn es uns nicht gefällt, kommen wir zurück.«
»Hierher zurück?«
»Wir kommen nach Arkansas zurück oder zumindest in den Süden.«
»Stacy will ich nicht sehen.«
»Ich auch nicht. Geh jetzt ins Bett und denk drüber nach. Und vergiss nicht, es ist unser Geheimnis.«
»Ja, Ma’am.«
Sie deckte mich zu und schaltete das Licht aus.
Ein weiteres Geheimnis, das archiviert werden musste.
K aum hatte Pappy den letzten Bissen Rührei gegessen, wischte er sich den Mund ab und blickte aus dem Fenster über der Spüle. Draußen war es hell genug. »Gehen wir nachsehen«, sagte er, und wir folgten ihm aus der Küche, über die Veranda und den Hof Richtung Scheune. Ich hatte einen Pullover an und versuchte, mit meinem Vater mitzuhalten. Das Gras war nass. Nach ein paar Schritten waren auch meine Schuhe nass.
Wir blieben vor dem nächsten Feld stehen und schauten zu der dunklen Baumlinie in der Ferne, am Rand von Siler’s Creek, ungefähr eine Meile entfernt. Vor uns befanden sich vierzig Morgen, die Hälfte unseres Landes. Sie waren überschwemmt; wir wussten nur nicht wie weit.
Pappy marschierte zwischen zwei Baumwollreihen los, und bald sahen wir nur noch seine Schultern und den Strohhut. Er würde stehen bleiben, sobald er auf Wasser stieß. Wenn er eine Weile ging, hätte der Bach nicht den von uns befürchteten Schaden angerichtet. Vielleicht zog sich das Wasser bereits wieder zurück, und womöglich würde die Sonne scheinen.
Dann könnten wir eventuell etwas retten.
Nach ungefähr zwanzig Metern, die Entfernung zwischen Wurf- und Schlagmal, blieb er stehen und blickte zu Boden.
Wir sahen den Boden oder was ihn bedeckte nicht, aber wir wussten Bescheid. Der Bach näherte sich uns.
»Das Wasser steht schon bis hierher«, sagte er über die Schulter. »Sechs Zentimeter hoch.«
Das Feld wurde
Weitere Kostenlose Bücher