Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Farm

Die Farm

Titel: Die Farm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
hingen, bevor sie sich auf Grund der Windstille nur langsam wieder auflösten. Der Regen und Schlamm vom frühen Morgen waren lange vergessen. Alles war wieder heiß: die hölzernen Bretter der Ladefläche, der verrostete und nicht gestrichene Rahmen, sogar die Maiskolben, Kartoffeln und Tomaten, die meine Mutter gerade erst gewaschen hatte. In unserem Teil von Arkansas schneite es zweimal im Jahr, und ich sehnte mich nach der kalten, dicken weißen Decke auf unseren winterlich öden Feldern.
    Am Ufer des Flusses hörte es auf zu stauben, und wir fuhren im Schritttempo über die Brücke. Ich stand auf, um auf das Wasser hinunterzublicken, den zähen braunen Strom, der sich kaum bewegte. Zwei Rohrstecken lagen auf der Ladefläche, und mein Vater hatte mir versprochen, dass wir eine Weile angeln würden, nachdem wir das Gemüse abgeliefert hätten.
    Die Latchers waren arme Farmpächter, die knapp eine Meile von unserem Haus entfernt wohnten, aber sie hätten genauso gut in einem anderen Distrikt leben können. Ihre heruntergekommene Hütte stand in einer Biegung des Flusses, Ulmen- und Weidenäste hingen aufs Dach, und die Baumwolle reichte fast bis zur vorderen Veranda. Um das Haus wuchs kein Gras, es war umgeben von einem Ring aus Erde, auf dem eine Horde kleiner Latchers spielte. Insgeheim war ich froh, dass sie auf der anderen Seite des Flusses lebten. Andernfalls hätte man von mir erwartet, dass ich mich mit ihnen abgab.
    Sie bewirtschafteten dreißig Morgen und teilten die Ernte mit dem Landbesitzer. Die Hälfte von wenig ließ ihnen nichts übrig, und deswegen waren die Latchers bettelarm. Sie hatten weder Elektrizität noch ein Auto. Manchmal kam Mr Latcher zu Fuß zu uns und bat Pappy, ihn bei der nächsten Fahrt nach Black Oak mitzunehmen.
    Der Weg zu ihrem Haus war kaum breit genug für unseren Pick-up, und als wir ausrollten, war die Veranda bereits voller kleiner schmutziger Gesichter. Einmal hatte ich sieben Latcher-Kinder gezählt, aber eine präzise Angabe war nicht möglich. Es war schwierig, die Jungen von den Mädchen zu unterscheiden; alle hatten zotteliges Haar, schmale Gesichter mit den gleichen blassblauen Augen, und alle trugen zerlumpte Kleider.
    Mrs Latcher trat von der baufälligen Veranda und wischte sich die Hände an der Schürze ab. Sie brachte ein Lächeln für meine Mutter zustande. »Hallo, Mrs Chandler«, sagte sie leise. Sie war barfuß, und ihre Beine waren so dürr wie Zweige.

    »Freut mich, Sie zu sehen, Darla«, sagte meine Mutter. Mein Vater hantierte hinten am Pick-up herum, schob die Kartons hin und her, um Zeit zu schinden, während die Frauen miteinander plauderten. Mr Latcher würden wir nicht zu sehen bekommen. Stolz hinderte ihn daran, das Gemüse in Empfang zu nehmen. Das war Sache der Frauen.
    Während sie über die Ernte und das heiße Wetter sprachen, entfernte ich mich unter den aufmerksamen Blicken der vielen Kinder von unserem Wagen. Ich ging auf die Seite des Hauses, wo sich der größte Junge im Schatten herumtrieb und sich Mühe gab, uns zu ignorieren. Er hieß Percy und behauptete, zwölf Jahre alt zu sein, aber ich hatte da meine Zweifel. Er war nicht groß genug für zwölf, aber da die Latchers nicht zur Schule gingen, war es unmöglich, ihn mit anderen Jungen seines Alters zu vergleichen. Er trug kein Hemd und war barfuß, seine Haut von den vielen Stunden in der Sonne bronzefarben.
    »Hallo, Percy«, sagte ich, aber er reagierte nicht. Arme Leute verhielten sich bisweilen komisch. Manchmal sprachen sie mit einem, dann wieder sahen sie einen nur ausdruckslos an, als ob sie in Ruhe gelassen werden wollten.
    Ich betrachtete ihr Haus, eine kleine quadratische Schachtel, und fragte mich wieder einmal, wie so viele Menschen auf so kleinem Raum leben konnten. Unser Geräteschuppen war fast genauso groß. Die Fenster waren geöffnet, zerrissene Vorhänge hingen reglos herunter. Sie hatten keine Fliegengitter, um Fliegen und Moskitos abzuhalten, und selbstverständlich keinen Ventilator, der die Luft bewegte.
    Sie taten mir Leid. Gran zitierte gern die Bibel: »Selig sind, die da geistlich arm sind, denn ihrer ist das Himmelreich«, und »ihr habt allezeit Arme bei euch.« Aber es schien grausam, dass Menschen unter solchen Bedingungen leben mussten. Sie hatten keine Schuhe. Ihre Kleider waren so alt und fadenscheinig, dass sie sich genierten, in die Stadt zu gehen.

    Und weil sie keinen Strom hatten, konnten sie auch die Spiele der Cardinals nicht im Radio

Weitere Kostenlose Bücher