Die Farm
schmutzige Fische -Aasfresser, die sich nur bewegten, wenn sich etwas Essbares in ihrer Nähe aufhielt.
Manche wurden zwanzig Jahre alt. Der Familienlegende zufolge hatte Ricky im Alter von dreizehn Jahren eins dieser Monster geangelt. Es wog vierundvierzig Pfund, und als er ihm den Bauch mit einem Messer aufschlitzte, ergoss sich aller möglicher Abfall auf die Ladefläche von Pappys Pick-up: eine Zündkerze, eine Murmel, jede Menge halb verdauter Elritzen und kleiner Fische, zwei Pennys und eine verdächtige Substanz, die schließlich als menschliches Exkrement bestimmt wurde.
Gran briet daraufhin nie wieder einen Wels, und Pappy verzichtete völlig auf Fische aus dem Fluss.
Mit roten Regenwürmern als Köder angelte ich im seichten Wasser um eine lange Sandbank nach Brassen und Sonnenfischen, zwei kleine Arten, die zahlreich und leicht zu fangen waren. Ich watete barfuß durch das warme wirbelnde Wasser und hörte meine Mutter gelegentlich rufen: »Das ist weit genug, Luke!« Das Ufer war von Eichen und Weiden gesäumt, dahinter stand die Sonne. Meine Eltern saßen im Schatten auf einem der vielen Quilts, die die Frauen aus der Kirche im Winter nähten, und aßen gemeinsam eine Cantaloupe-Melone aus unserem Garten.
Sie sprachen leise miteinander, fast flüsternd, und ich versuchte nicht, zu horchen, denn es war einer der wenigen Augenblicke während der Baumwollernte, die sie für sich hatten. Nach einem Tag auf den Feldern schliefen sie abends meist sofort ein, und ich hörte sie selten im Bett miteinander reden.
Manchmal saßen sie im Dunkeln auf der Veranda und warteten darauf, dass die Hitze nachließ, aber da waren sie nicht wirklich allein.
Ich hatte genug Angst vor dem Fluss, um mich nicht weit hinaus zu wagen, denn ich konnte noch nicht schwimmen. Ich wartete, dass Ricky nach Hause käme. Er hatte mir versprochen, es mir im nächsten Sommer, wenn ich acht wäre, beizubringen. Ich blieb nahe am Ufer, wo das Wasser mir knapp bis zu den Knöcheln reichte.
Es war nichts Ungewöhnliches, dass Leute ertranken, und mein Leben lang hatte ich eindrucksvolle Geschichten von erwachsenen Männern gehört, die auf wandernden Sandbänken festsaßen und davongeschwemmt wurden, während ihre Familie entsetzt zusah. Der ruhige Fluss konnte sich irgendwie in einen reißenden Strom verwandeln, was ich selbst allerdings noch nicht erlebt hatte. Die Mutter aller Geschichten vom Ertrinken handelte angeblich vom St. Francis, wiewohl der genaue Ort je nach Erzähler ein anderer war. Ein kleines Kind saß unschuldig auf einer Sandbank, als diese sich plötzlich los-riss, von Wasser umgeben war und schnell sank. Ein älterer Bruder sah es und stürzte sich in das wirbelnde Wasser, nur um in eine heftige Strömung zu geraten, die auch ihn davontrug.
Als Nächstes hörte eine ältere Schwester die Schreie der ersten beiden und lief bis zur Hüfte ins Wasser, und dann fiel ihr ein, dass sie nicht schwimmen konnte. Unerschrocken kämpfte sie sich weiter und rief den beiden Jüngeren zu, sie sollten Ruhe bewahren, sie würde es schon irgendwie schaffen. Aber die Sandbank brach vollends auseinander - wie bei einem Erdbeben -, und neue Strömungen schössen in alle Richtungen.
Die drei Kinder wurden immer weiter vom Ufer weggetrieben.
Die Mutter, die vielleicht schwanger war, vielleicht aber auch nicht, und die vielleicht schwimmen konnte, vielleicht aber auch nicht, bereitete im Schatten eines Baums gerade das Mittagessen vor, als sie die Schreie ihrer Kinder hörte. Sie stürzte sich in den Fluss, woraufhin auch sie rasch in Schwierigkeiten geriet.
Der Vater angelte auf einer Brücke, als er den Lärm hörte, und statt Zeit zu verschwenden, zum Ufer zu laufen und sich von dort ins Wasser zu stürzen, sprang er einfach kopfüber in den St. Francis und brach sich den Hals.
Die gesamte Familie kam ums Leben. Manche der Leichen wurden gefunden, andere nicht. Die einen wurden von den Welsen gefressen, die anderen ins Meer geschwemmt, wo immer das Meer war. Es herrschte kein Mangel an Theorien, die erklären sollten, was letztendlich mit den Leichen geschah.
Merkwürdigerweise blieb die arme Familie im Lauf der Jahrzehnte stets namenlos.
Diese Geschichte wurde immer wieder erzählt, damit Kinder wie ich die Gefahren des Flusses nicht unterschätzten. Ricky jagte mir gern damit Angst ein, brachte die verschiedenen Versionen jedoch meistens durcheinander. Meine Mutter behauptete, dass sie erfunden sei.
Sogar Bruder Akers flocht
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