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Die Farm

Die Farm

Titel: Die Farm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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    Percy besaß weder einen Ball noch einen Handschuh noch einen Schläger und hatte nie mit seinem Vater Baseball gespielt und davon geträumt, die Yankees zu schlagen. Wahrscheinlich hatte er noch nicht einmal davon geträumt, die Baumwollfelder zu verlassen. Dieser Gedanke war nahezu überwältigend.
    Mein Vater nahm den ersten Karton mit Gemüse, meine Mutter erklärte, was sich darin befand, und die Latcher-Kinder kamen zur Treppe, sahen neugierig zu, behielten jedoch ihre Distanz bei. Percy rührte sich nicht; er starrte auf etwas in den Feldern, was weder er noch ich sehen konnten.
    Im Haus befand sich ein Mädchen. Ihr Name war Libby, sie war fünfzehn, das älteste Kind, und die jüngsten Gerüchte, die in Black Oak die Runde machten, wollten, dass sie schwanger war. Der Vater war unbekannt; angeblich weigerte sie sich, irgendjemandem - auch ihren Eltern - den Namen des Jungen preiszugeben, der sie geschwängert hatte.
    Diese Klatschgeschichte war mehr, als Black Oak ertragen konnte. Kriegsnachrichten, eine Schlägerei, eine Krebserkrankung, ein Autounfall, ein ordentlich verheiratetes Paar, das ein Baby erwartete - solche Ereignisse beflügelten die Gespräche. Ein Todesfall und eine anständige Beerdigung, und die Stadt hatte tagelang etwas zu reden. Eine Festnahme auch des gewöhnlichsten Mitbürgers war ein Ereignis, das wochenlang seziert wurde. Aber dass ein fünfzehnjähriges Mädchen, auch wenn es die Tochter eines bettelarmen Farmpächters war, ein uneheliches Kind bekam, war so ungewöhnlich, dass die Stadt außer sich war. Das Problem war, dass die Schwangerschaft bislang nicht bestätigt war. Sie bestand nur gerüchteweise. Da die Latchers ihre Farm nur selten verließen, erwies es sich als ziemlich schwierig, hieb-und stichfeste Beweise beizubringen. Und da wir ihre nächsten Nachbarn waren, schien meiner Mutter die Aufgabe zu-gefallen, in der Sache zu ermitteln.
    Sie hatte mir aufgetragen, ihr dabei zu helfen. Sie erzählte mir von dem Klatsch, und da ich mein ganzes Leben lang gesehen hatte, wie sich die Tiere auf der Farm vermehrten und brüteten, wusste ich im Prinzip Bescheid. Aber ich ließ mich nur widerwillig in die Sache hineinziehen und begriff nicht wirklich, warum wir die Schwangerschaft bestätigen sollten. In der Stadt war so viel darüber geredet worden, dass alle vom Zustand des Mädchens überzeugt waren.
    Das große Geheimnis war die Identität des Vaters. »Mir werden sie es nicht in die Schuhe schieben«, hatte ich Pappy im Co-op sagen hören, und die alten Männer hatten schallend gelacht.
    »Was ist mit der Baumwolle?«, fragte ich Percy von Farmer zu Farmer.
    »Steht noch draußen«, sagte er und nickte in Richtung der Felder, die nur ein paar Meter entfernt waren. Ich wandte mich um und starrte auf ihre Baumwolle, die genauso aussah wie unsere. Für hundert Pfund, die ich pflückte, bekam ich einen Dollar sechzig. Die Latcher-Kinder bekamen nichts.
    Dann schaute ich wieder zum Haus, zu den Fenstern, Vorhängen und alten Brettern und in den Hof dahinter, wo ihre Wäsche auf der Leine hing. Ich sah zu dem Weg, der an ihrem Außenklo vorbei zum Fluss führte, aber nirgendwo entdeckte ich eine Spur von Libby Latcher. Wahrscheinlich hatten sie sie in einem Zimmer eingesperrt, und Mr Latcher hielt mit einer Schrotflinte vor der Tür Wache. Eines Tages würde sie das Baby auf die Welt bringen, und niemand erführe davon. Es gäbe einfach ein weiteres Latcher-Kind, das nackt herumlief.
    »Meine Schwester ist nicht da«, sagte Percy, der noch immer in die Ferne blickte. »Nach ihr schaust du dich doch um.«
    Mir blieb der Mund offen stehen, und meine Backen wurden heiß. »Was?« Mehr brachte ich nicht heraus.
    »Sie ist nicht da. Jetzt geh zurück zu eurem Wagen.«
    Mein Vater trug den zweiten Karton auf die Veranda, und ich entfernte mich von Percy.
    »Hast du sie gesehen?«, fragte mich meine Mutter flüsternd, als wir aufbrachen. Ich schüttelte den Kopf.
    Als wir wegfuhren, scharten sich die Latchers um die zwei Kartons, als hätten sie seit einer Woche nichts gegessen.
    In ein paar Tagen würden wir mit einer weiteren Ladung Gemüse wiederkommen, um erneut zu versuchen, die Gerüchte zu bestätigen. Solange sie Libby versteckten, würden die Latchers gut genährt.

    * * *
Laut meinem Vater war der St. Francis River sechzehn Meter tief, und am Grund des Brückenpfeilers gab es sechzig Pfund schwere Kanalwelse, die alles in ihrer Reichweite fraßen. Es waren große,

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