Die Farm
Arbeit. Jemand strich unser Haus.
»Das war Trot«, sagte sie leise, und ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln.
Ich hatte nicht an ihn gedacht, hatte noch nicht die Zeit gehabt, mir über den Täter Gedanken zu machen, aber mir leuchtete sofort ein, dass er der Anstreicher war. Wer sonst sollte es sein? Wer sonst trieb sich den ganzen Tag im Hof herum und hatte nichts zu tun, während wir auf den Feldern Sklavendienste leisteten? Wer sonst sollte in so jämmerlichem Tempo arbeiten? Wer sonst wäre so einfältig und würde ohne Erlaubnis das Haus eines anderen anstreichen?
Und es war Trot gewesen, der Hank angebrüllt hatte, er solle aufhören, mich zu quälen wegen unseres ungestrichenen Bauernlümmel-Hauses. Trot wollte mir helfen.
Aber woher hatte Trot das Geld, um Farbe zu kaufen? Und warum tat er es überhaupt? Oh, es gab Dutzende Fragen.
Meine Mutter trat einen Schritt zurück und ging aus dem Gemüsegarten. Ich folgte ihr zur Ecke des Hauses, wo wir den Anstrich genauer unter die Lupe nahmen. Wir rochen die Farbe, sie schien noch nicht getrocknet. Sie blickte sich im Hof um. Trot war nirgendwo zu sehen.
»Was tun wir jetzt?«, fragte ich.
»Nichts, zumindest im Augenblick.«
»Wirst du es jemand erzählen?«
»Ich werde mit deinem Vater darüber reden. In der Zwischenzeit bleibt es unser Geheimnis.«
»Du hast doch gesagt, dass kleine Jungs keine Geheimnisse haben sollen.«
»Nicht vor ihren Eltern.«
Wir füllten zwei Weidenkörbe mit Gemüse und luden sie auf den Pick-up. Meine Mutter saß ungefähr einmal im Monat am Steuer. Sie konnte Pappys Pick-up zwar fahren, aber sie war nicht entspannt dabei. Sie klammerte sich ans Lenkrad, trat mehrmals fest auf Kupplung und Bremse und ließ dann den Motor an. Wir machten einen Satz nach vorn, dann legte sie krachend den Rückwärtsgang ein und wendete den alten Wagen so langsam, dass wir beide lachen mussten. Als wir davonfuhren, sah ich Trot unter dem Pick-up der Spruills liegen; hinter einem Rad versteckt, sah er uns nach.
Der Spaß hörte Minuten später auf, als wir zum Fluss kamen.
»Halt dich fest, Luke«, sagte sie, als sie herunterschaltete und sich mit ängstlich aufgerissenen Augen vorbeugte. Woran sollte ich mich festhalten? Es war eine einspurige Brücke ohne Geländer. Wenn sie in den Fluss fuhr, würden wir beide ertrinken.
»Du schaffst es, Mom«, sagte ich, ohne davon überzeugt zu sein.
»Natürlich schaff ich es«, sagte sie. Ich war schon öfter mit ihr über die Brücke gefahren, und es war jedes Mal ein Abenteuer.
Wir krochen dahin, ängstlich bemüht, nicht nach unten zu schauen, und atmeten erst wieder, als wir auf der anderen Seite ankamen.
»Gut gemacht, Mom«, sagte ich.
»Kein Problem«, sagte sie und atmete aus.
Zuerst sah ich keine Latchers auf den Feldern, aber als wir uns dem Haus näherten, entdeckte ich eine Ansammlung von Strohhüten weit weg in der Baumwolle. Mir war nicht klar, ob sie uns bemerkt hatten, jedenfalls hörten sie nicht auf zu pflücken. Wir hielten nahe der Veranda und warteten, bis sich der Staub wieder gelegt hatte. Als wir aussteigen wollten, kam Mrs Latcher die Treppe herunter und wischte sich nervös die Hände an einem Lumpen ab. Sie schien mit sich selbst zu reden und wirkte sehr besorgt.
»Hallo, Mrs Chandler«, sagte sie, den Blick in die Ferne gerichtet. Sie sprach meine Mutter nie mit ihrem Vornamen an, obwohl sie älter war und mindestens sechs Kinder mehr hatte.
»Hallo, Darla. Wir bringen Gemüse.«
Die beiden Frauen sahen einander an. »Ich bin so froh, dass Sie da sind«, sagte Mrs Latcher mit angsterfüllter Stimme.
»Was ist denn los?«
Mrs Latchers schaute kurz zu mir. »Ich brauche Ihre Hilfe. Es geht um Libby. Ich glaube, sie bekommt ein Baby.«
»Ein Baby?«, sagte meine Mutter, als würde sie aus allen Wolken fallen.
»Ja. Ich glaube, sie hat Wehen.«
»Dann müssen wir den Doktor holen.«
»Nein. Das können wir nicht. Niemand darf davon erfahren.
Niemand. Es darf sich nicht herumsprechen.«
Ich war hinter den Pick-up gegangen und duckte mich, damit Mrs Latcher mich nicht sehen konnte. Ich dachte mir, dass sie dann vielleicht mehr sagen würde. Etwas Großes passierte, und ich wollte nichts davon versäumen.
»Wir schämen uns so«, sagte sie mit brechender Stimme. »Sie will uns nicht sagen, wer der Vater ist, und im Augenblick ist es mir auch egal. Ich will nur, dass das Baby kommt.«
»Aber Sie brauchen einen Arzt.«
»Nein, Ma’am. Niemand darf
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