Die Fastnachtsbeichte
Konterbande nach
Tripolis unterwegs war, das waren auch keine Menschenfreunde, aber denen war
grade ein Lastträger an irgendwas gestorben, vielleicht an einem Fußtritt... so
erlaubten sie mir gnädig, seine Last zu schleppen und auch seine Fußtritte und
Hiebe einzustecken, wenn ich schlapp machte — aber die reisten nur nachts und
auf geheimen Wegen und so kam ich glücklich heraus. Meine Legionsuniform hatte
ich zwar gleich an ihrem Kamelmistfeuer verbrannt, und mit den Kleidern von dem
verstorbenen Lastträger vertauscht, aber das Geld, das hatte ich in den
Stiefeln, es hätte ja auch niemand so einen Schatz bei mir gesucht. Es gelang
mir dann, bei irgendeinem Armenier einen der Tausender zu wechseln, natürlich
mit dickem Verlust, aber jetzt hatte ich etwas Bargeld, und damit war es nicht
schwer, auf ein Schiff zu kommen und den Staub Afrikas von meinen Füßen zu
schütteln — für immer‹, sagte er seufzend.
Wohin er von da gefahren sei, und von
wo er jetzt herkomme, und was er in der Zwischenzeit, den letzten zehn Monaten,
getan hätte, das könne er ihm jetzt nicht erzählen, vielleicht später mal. Nur
eins müsse er ihm sagen, es sei ein Bluthund hinter ihm her, dem gelte es noch
zu entwischen, und dann sei alles gut. Von dem Bernard, dem Belgier, wisse er
eine Adresse in der Hafenstadt Antwerpen, dort könnten sie auf ein Schiff nach
Amerika Unterkommen, zur Not auf Heuer, und wenn sie erst mal da drüben wären,
dann fange das Leben an, aber nicht klein und häßlich als Tellerwäscher oder
so, sondern Hui und Hopp, er habe ja, sagte er, Geld, und noch was, das könne
man dort zu Gold machen, dann würden sie ein Geschäft gründen zusammen und
reiche Leute werden.« — Da begriff der Clemens langsam, daß der Ferdinand ihn
mitnehmen wollte — obwohl ihm zuerst alles im Kopf ganz durcheinander ging. —
Vorher aber, sagte der Ferdinand, müsse er noch nach Nieder-Keddrich hinaus. —
»Zur Mutter?« fragte Clemens. »Das auch«, sagte Ferdinand, »beider muß ich mich
umziehn, aber außerdem ist dort noch jemand, mit dem habe ich abzurechnen.« —
»Warum«, fragte Clemens, »mußt du dich denn umziehn, bei der Mutter?« — »Weil
ich nur in deiner Uniform hinausfahren kann«, sagte der Ferdinand, »in dem
Anzug da würde ich auffallen, und es könnte mich wer erkennen. Ich darf aber
nicht erkannt werden. Ich bin tot, und ich bleibe tot. Glaub mir, das ist
manchmal besser!« (Und dabei habe er auf eine Art gelacht, daß es dem Clemens
ganz anders wurde.)
Hier stand die Bäumlern auf, die, seit
vom Ferdinand die Rede war, mit auf die Schenkel gestützten Ellbogen, die
Knöchel unterm Kinn, angespannt gelauscht hatte. Sie machte, ehe sie jemand
hindern konnte, ein paar Schritte auf den Kriminalrat zu.
»Er hat zu mir gewollt, mein
Ferdinand«, stammelte sie, fast lallend, »zu mir hat er gewollt, und drum hat
der« — sie deutete dabei mit dem Daumen auf Clemens, ohne ihn anzuschaun — »ihn
hingemacht. Das hatte der immer im Sinn.« Jeanmarie war aufgesprungen und
führte sie, die nun leise zu schluchzen begann, zu ihrem Sitz zurück, wo beide
Panezzas sie durch leichtes Handauflegen auf ihre Schultern an weiteren
Ausbrüchen zu hindern suchten und offenbar auch beruhigten. Clemens brach nicht
wieder in Tränen aus, er stand mit geducktem Kopf, aber still, wie einer, der
schon gewohnt ist, Schläge zu bekommen.
»Sie meint«, sagte er dann mit
gesenkten Augen zum Kriminalrat, »daß ich dem Ferdinand bös war, weil sie ihn gern hatte und mich nicht. Aber da war doch er nicht schuld!«
»Nein«, sagte Merzbecher, »und Sie auch
nicht. Aber das tut ja hier nichts zur Sache. Denken Sie, bitte, jetzt nicht
daran. Versuchen Sie nur an alles genau zu denken, was noch am Samstagabend
vorgegangen ist. Der Ferdinand wollte also Ihre Uniform haben, um damit
unerkannt ins Dorf hinaus zu kommen, damit er weiter für tot gelte — «
»Ja«, sagte Clemens, »es dürfte ihn
keiner sehn, zu zweit könnten wir auch nicht hin, weil immer Leute aus dem
Fenster gucken und es dann heißt: ›Wen hat denn der Clemens Bäumler da
mitgebracht?‹ Aber allein in der Uniform und dazu noch bei Nacht, wenn er rasch
ginge, da würde man nur meinen, der Clemens kommt halt auf Urlaub heim. Bevor
es hell ist, wäre er dann wieder weg, in einem alten Anzug von mir oder von ihm
selber, was er halt finden kann. Und wenn die Alte, er nannte sie so, dann
hinterher was redet, dann sagt man, die spinnt, die hat eine
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