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Die Fastnachtsbeichte

Die Fastnachtsbeichte

Titel: Die Fastnachtsbeichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Zuckmayer
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blieb. Er
sagte es nicht, aber sie spürte, daß er sie brauchte, und es hatte sie noch nie
jemand gebraucht.
    »Ich habe Glück gehabt«, sagte sie
leise, »und auch immer sehr aufgepaßt, ich bin nie krank gewesen, und jetzt ist
es vorbei.«
    Sie atmete tief, und sie dachte bei
sich, sie werde doch noch einmal zum Doktor gehen, damit sie ja ganz sicher
sei, Kinder kriegen zu können. Aber sie wußte in ihrem Leib, daß alles gut war.
Voll dankbarer Zuversicht strich sie ihm mit der Hand über die breiten
Schultern, wie über ein großes, fest angewachsenes und von der Sonne
durchwärmtes Stück Fels, mit Moosen und Farn und einem Haselstrauch, an dem man
ausruhen und unter dem man auch Schutz suchen kann. Dabei spürte sie das kleine
Loch im Stoff seines Waffenrocks und wußte sofort, was es war.
    »Komm«, sagte sie, »ich mach dir das.
Zieh ihn nur aus.«
    Sie öffnete ihren Schließkorb, holte
Nähzeug hervor, auch ein Fläschchen mit Fleckenwasser.
    Wieder neben ihm auf dem kantigen
Bettrand sitzend, wie daheim auf einer Ofenbank, reinigte und stopfte sie die
kleine Schnittstelle, so gut es ging.
    »Das muß dann kunstgestopft werden«,
sagte sie, »es wäre schad um den Stoff. Aber du sollst nicht so hinkommen, daß
man es gleich sieht.«
    Er nickte, schaute ihren flinken Händen
zu, lächelte. »Weißt du«, sagte er, »ich wollte schon in den Rhein.«
    »Ach du«, sagte sie mit ihrem
glucksenden Lachen, »der ist ja naß...« Aber dann wurde sie gleich wieder
ernst. »Ich wollte auch einmal«, sagte sie, »ich glaube, es geht fast jedem
einmal so. Aber man muß sich helfen...«
    Er beugte sich auf ihre Hände nieder,
die jetzt nach beendeter Arbeit in ihrem Schoß lagen, schmiegte seine Stirn
hinein.
    »Ich hab dich gleich gern gehabt«,
hörte er sie sagen, »wie du herein gekommen bist und deine Schuhe haben dich so
gedrückt. «
    Er richtete sich auf. »Das waren nicht
meine Schuhe«, sagte er.
    »Nein«, sagte sie mitleidig und
streichelte seine Hand. »Willst du mich denn?« fragte sie plötzlich, sich näher
an ihn schmiegend.
    »Ja«, sagte Clemens, und zog sie fest
an sein Herz.
    »Und wenn’s einer herausbekommt,
später, und dich verlästert, wo du dein Weib her hast?« sagte sie sorgenvoll.
    »Dann kriegt er eins aufs Dach«, sagte
Clemens ruhig, und sie freute sich, daß er so gut war, und so stark.
    Es war kein Ofen im Zimmer, aber
vielleicht lag es über der geheizten Schänk, ihm erschien es warm wie im
Sommer, obwohl er in Hemdsärmeln saß. Es war ihm so leicht und wohl, er mußte
gähnen.
    »Du bist müde«, sagte sie zärtlich,
»wann mußt du denn fort?«
    »Um halb sechs muß ich dort sein«,
sagte er, »am besten bleib ich wach.«
    »Aber nein«, sagte sie, »du mußt
schlafen.« Dann lief sie zur Tür. »Ich bin gleich zurück«, flüsterte sie, und
er hörte sie die knarrende Treppe hinunterspringen.
    Als sie wiederkam, hielt sie einen
großen Küchenwecker in der Hand, der laut und zuverlässig tickte.
    Er saß noch auf dem Bett, sie trat
zwischen seine Knie, hauchte mit den Lippen über sein Gesicht.
    Dann ging sie hin und löschte die
Gasflamme aus.
    Es kam aber durch den dünnen
Kattunvorhang des Fensters noch ein schummriges Licht, wohl von der
Straßenlaterne, die an der Hauswand hing.
    Stumm zogen sie sich aus, jeder für
sich allein.
    »Leg dich nur hin«, flüsterte sie.
    Er drückte sich unter der Decke ganz an
die Wand, sah sie nackt vor dem Bett stehen, er sah sie klarer und deutlicher
als vorhin bei vollem Licht. Ihre Augen waren feuchtbraun und rund, der Mund
breit und weich, ihr Haar kastanienrötlich gelockt und die Haut sehr hell, ein
wenig sommersprossig. Ihre Brüste waren sanfte weiße Hügel, mit hellbraunen
Mondhöfen in der Mitte, und tief dunklen Knospen.
    Eine Zeitlang lagen sie still
nebeneinander, fast ohne sich zu berühren. Ein Orchestrion klapperte drunten
das Seemannslos, betrunkene Stimmen jaunerten weinerlich die Lorelei. Sie
hörten es nicht, sie hörten nur ihren Atem.
    Endlich legte sie ihre Arme um seinen
Kopf, er spürte die Wärme ihrer Haut, alle Scheu wich aus ihren Sinnen, sie
umschlangen einander, wurden eins, schenkten sich die Erfüllung im Fleisch und
in der Seele, die sich in tiefen befreiten Seufzern äußerte, und bei der Frau,
nach einem Aufschrei, in einem Strom erlösender Tränen.
    Dann schliefen sie ein, er hatte seinen
Kopf zwischen ihre Brüste geschmiegt, sie hielt noch im Schlummer seine rechte
Hand.
     
     
    G anz unversehens

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