Die Fastnachtsnarren. Humoresken
Sündenregister auf seine unschuldigen Achseln nehmen. Aber damit komme Sie mir ja nicht! Ich habe noch meine fünf Sinne glücklich beisammen und werde Ihr zeigen, was es heißt, mich dupiren zu wollen. Das kommt aber daher, wenn man die lieben Sternlein andeclamirt und nach ein Paar alten abgesetzten Männerstiefeln schmachtet. Ich will jetzt auf der Stelle meine Ziegenmilch haben, oder ich lasse Sie noch heut ins Irrenhaus schaffen, wo die Zwangsjacke Ihr die Ziegenbocksgeschichten schon aus dem Kopfe bringen wird!«
»Mein guter, lieber, gnädiger Herr Oberst, da werde ich, so wahr ich hier stehe, ganz unschuldig zwangsgejackt, denn es ist ein Ziegenbock und bleibt ein Ziegenbock, ich mag ihn ansehen und anfühlen wo und wie ich nur will! Wenn Sie, wie ich, den Samiel im Theater gesehen hätten, so – – –«
»Halte Sie den Mund mit Ihrem dummen Samiel! Ich habe noch ganz andre Kerle gesehen, als der ist, und bin ihnen mit dem Säbel auf den Leib gerückt, daß die Fetzen rechts und links nur so heruntergeflogen sind. Der sollte nur einmal kommen und sich an meine Ziege wagen, ich wollte ihm nach Hause leuchten, daß ihm kein Doctor und kein Chirurgus helfen könnte! Der Heinz sagt ja auch, daß es eine Ziege sei!«
»Nein, gnädiger Herr, es ist zehnmal und hundertmal und tausendmal nichts Andres als ein Bock!«
»Dorchlaucht, indem ich weiß, was ich gesehen habe, so will ich trotzdem, wenn das ein Bock ist, acht Wochen lang Tag und Nacht Spießruthen laufen und dazu noch pfeifen ›Der Papst lebt herrlich in der Welt, weil mir mein Buckel nicht gefällt!‹ Was ich sehe, das sehe ich, dagegen was ich weiß, das weiß ich, und wenn ich von Neudorf eine Ziege nach Wildauen bringe, darum kann es nun und nimmermehr ein Bock sein!«
»Und doch ist es einer. Ich will mich getrost in die Zwangsjacke stecken lassen, wenn ich Unrecht habe!«
»Das soll Ihr nicht abgeschlagen werden. Also, herauf mit dem Bocke!«
»Herr Oberst, bitte, bemühen Sie sich gnädigst mit hinunter in den Stall. Ich kann Ihnen doch das Thier unmöglich in das Zimmer bringen!«
»So? Glaubt Sie etwa, daß ich Ihrer Ziege nachlaufe? Herauf will ich sie haben!«
»Aber es ist doch – – –«
»Herrrrauf, sage ich!«
»Gnädigster – – –«
»Herrrrrrrrrauf! Kehrt! Marsch!«
Er trat mit zornrothem Angesichte und drohend erhobenem Arme auf sie zu, Grund mehr als genug für sie, schleunigst Gehorsam zu leisten.
»Heinz!«
»Was denn, Dorchlaucht?«
»Eine frische Pfeife!«
»In dieser Hinsicht natürlich sofort, Dorchlaucht!«
Er griff in den Kasten und schlug Feuer, denn sein Herr rauchte keine Pfeife, welche anders als mittelst Stahl, Feuerstein und Schwamm in Brand gesteckt worden war. Wortlos qualmend stieg der Oberst nun mit Riesenschritten im Zimmer auf und nieder, zuweilen nur ein tiefes, zorniges Brummen ausstoßend, und machte dieser Bewegung erst dann ein Ende, als sich draußen nähernde Schritte und das kurze Getrappel von Thierhufen vernehmen ließen. Heinz stieß die Thür auf. Vor derselben stand der Bock, alle vier Beine vorwärts stemmend, um sich nach Kräften der beabsichtigten Ocularinspection zu widersetzen, und hinter ihm hatte die Wirthschafterin Posto gefaßt, die sich alle erdenkliche Mühe gab, das obstinate Thier in das Zimmer zu schieben.
»Nun, Dorchlaucht, habe ich nichts desto weniger Recht gehabt oder nicht? Das ist vor allen Dingen ganz dieselbe Ziege, welche ich von Neudorf geholt und ebenso vorhin erst noch einmal genau angesehen habe!«
»Herein mit ihr!« befahl der Oberst, denn in diesem Augenblicke war nur das Brustbild sammt den beiden Vorderbeinen des Thieres zu erkennen. Heinz erfaßte das letztere bei den Hörnern, und bei so vereinten Kräften gelang es endlich, das widerstrebende Corpus delecti an Ort und Stelle zu bringen.
»Nun, gnädiger Herr, wer hat Recht?« frug die Jungfer, halb triumphirend, halb ängstlich.
Der Prinz hatte die Sachlage auf den ersten Blick erkannt.
»Heinz!«
»Was denn, Dorchlaucht?«
»Du bist ein Esel!«
»Sapperlot, Dorchlaucht, das leide ich nicht, zumal – –«
»Ruhe bitte ich mir aus! Ja, ein Esel bist Du, und zwar ein so gewaltiger, das Du mich ordentlich dauern kannst! Guke Dir nur Deine Ziege einmal ordentlich an!«
Der Diener bückte sich ein Wenig und richtete sich gleich darauf mit einer vollständig consternirten Miene wieder empor. Der Mund stand im weit offen, und mit der größten Rathlosigkeit starrte er einmal seinen
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