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Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Titel: Die Fastnachtsnarren. Humoresken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sich die großen, runden Brillengläser, schiebt das Messinggestell hinter die Ohren und beginnt die Vorlesung, auf die sie Alle schon seit dem letzten Hefte gewartet haben.
    Auch heute sitzen sie dort beisammen und horchen gespannt auf das Ende der Geschichte, die eben an der Reihe ist.
    »Aber das war schön,« meint der Wirth; »ich bin nur froh, daß sie einander noch bekommen haben! Aber wissen möchte ich doch, ob das Alles wirklich passirt ist oder ob sich’s die Dichter und Gelehrten nur so aussinnen.«
    »Aussinnen? Hm, möglich wär’s am Ende schon,« meint der Bäckerfranz, indem er das Blatt in die Tasche schiebt; »aber im Leben passiren oft noch viel schönere und wunderbarere Geschichten, als in den Büchern. Wenn ich gut auf der Feder wäre, so könnte ich aus meinen eigenen Erlebnissen gar manche schöne Geschichte schreiben, bei der ich mir nicht das Geringste auszusinnen brauchte. Denkt nur zum Beispiel einmal daran, wie ich zu meiner ›Alten‹ gekommen bin! Es sind Viele unter Euch, die haben noch nichts davon gehört. Soll ich’s Euch vielleicht einmal erzählen?«
    »Ja, ja, erzähl’ es, Franz!« ruft es im Kreise, während man erwartungsvoll zusammenrückt.
    »Nun gut, so mag es losgehen; aber schwatzt mir nicht unnöthig d’rein; Ihr wißt, ich kann’s nicht leiden!«
    Er beginnt. Hinten in der Ecke aber sitzt Einer, dessen Name hier oben unter der Ueberschrift zu lesen ist und der gar aufmerksam zuhört, um die Geschichte für Bäckerfanzens Lieblingsblatt wegzuangeln. Was er wohl sagen wird, wenn er sie dort findet?! –
I.
    Ihr Alle wißt, daß ich von Potschappel stamme, wo mein Vater ein armer, schutzverwandter Schneidermeister war. Die älteren Brüder mußten an die Nadel, ich aber, als der Jüngste, kam zu einem Bäcker in die Lehre, weil die Eltern meinten, daß ich es da eher zu etwas bringen könnte. Sie dachten nicht daran, daß man mit der Scheere eher sein eigener Herr werden kann, als vor dem Backtroge, wenn man nämlich nichts hat, was nach Silber klingt oder nach Hundertthalerscheinen raschelt.
    Als ich ausgelernt hatte, ging ich auf die Wanderschaft, stand hier und da in Arbeit, wanderte dazwischen hin und her, so oft und viel ich Lust hatte, und kam auch eines schönen Tages hier im Städtchen an, um mir eine Stellung zu suchen, da mir Rock, Hose und Stiefel mit der Zeit ganz außerordentlich hinfällig geworden waren.
    Zuerst ging ich in mein jetziges Haus zum Bäcker Hilbert. Er war Obermeister von der Innung und ließ sich mein Wanderbuch geben. Als er es durchgesehen hatte, guckte er mich so halb von der Seite an und zog die Nasenhaut in Falten. Ich sah nun freilich nicht gerade sehr vornehm aus. Den Rock hatte ich geschenkt erhalten; er war mir in der Taille um eine Elle zu weit und an den Aermeln um eine Viertelelle zu kurz. Die Weste war einmal von Sammet gewesen und hatte roth gesehen; jetzt schien sie von Sacktuch zu sein und hatte alle neunundachtzig Farben. Von den Hosen will ich ganz schweigen, es ist besser, und die Stiefel, die waren so offenherzig geworden, daß ich mit den Füßen fast noch besser als mit der Nase merken konnte, wo die Luft herkam. Woran das lag, das brauche ich nicht zu sagen; es wird Manchem von Euch in der Fremde vielleicht ebenso gegangen sein. Aber ein ehrlicher Kerl war ich doch, verstand mein Handwerk aus dem Fundamente und hatte weder den Betäl, noch sonst etwas Ungutes im Buche stehen. Darum verdroß es mich gewaltig, als er meinte:
    »Auch ein Bruder Luftikus! Hier hast Du das Buch zurück und dazu das Geschenk. Platz hätte ich wohl für einen braven ordentlichen Gesellen; Dich aber kann ich nicht gebrauchen!«
    »Nichts für ungut, Herr Meister, aber ich bitte –«
    »Sei still! Ich mag Dich nicht, und damit basta! Du bist ein Sachse, und ich kenne diese Sorte.«
    Da war allerdings mehr, als ich vertragen konnte; ich legte ihm also sein Geld wieder auf den Tisch und antwortete:
    »Das ist eine Beleidigung, Meister, zu der Ihr kein Recht habt. Ich bin ehrlicher Leute Kind, und auf der Reise wird man kein feiner Hofcavalier. Wenn ich Arbeit hier in Orte finde, so werdet Ihr bald erfahren, daß ich mich vor Niemandem zu schämen brauche. Hier habt Ihr Euern Groschen wieder, und damit Adjes!«
    »Schade um den hübschen Burschen!« hörte ich es leise, als ich die Thür schon in der Hand hatte. Es war die Meisterstochter, die Emma, die das zu ihrer Mutter sagte. Sie war ein herzig liebes Kind, wie ich das später zur

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