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Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Titel: Die Fastnachtsnarren. Humoresken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Genüge erfahren habe, und ich drehte mich um und sah ihr noch einmal in das freundliche Gesichtchen, ehe ich die Thür zumachte.
    Draußen aber blieb ich einige Augenblicke stehen und musterte zum ersten Male meine Kleidage genau. Die Worte des Mädchens waren mir in das Herz gedrungen und öffneten mir die Augen.
    »Du siehst aus wie ein Lump,« dachte ich; »aber, Franz, es wird anders, und zwar gleich von jetzt an!«
    Gerade gegenüber wohnte der alte Bäckermeister Kießling; er wurde nur der Bäckerjakob genannt und hatte nicht übermäßig viel zu thun, da er kein großer Hexenmeister war und sich nicht übermäßig viel anstrengte. Sein Sohn war noch in der Fremde und hatte keine große Lust, bald wiederzukommen. Ich ging natürlich auch zu ihm.
    »Glück und Segen ins Haus, Meister! Ich bin ein wandernder Bäckergesell, habe hier mein Buch und bitte um einen kleinen Zehrpfennig!«
    Er nahm das Buch, setzte die Nasenquetsche ins Gesicht und buchstabirte so ein halbes Stündchen in den Blättern herum. Dann betrachtete er mich von Kopf zu Fuß und meinte endlich:
    »War Er schon beim Obermeister?«
    »Ja.«
    »Hat Er etwas bekommen?«
    »Ja; ich habe es der nicht genommen.«
    »Warum?«
    Ich erzählte es ihm.
    »Hm, so, so!« brummte er. »Er ist ein Sachse?«
    »Ja.«
    »Das freut mich! Bin auch dort gewesen; sind gar brave, herzliebe Leute, die Sachsen. Habe zwei volle Jahre in Arbeit gestanden da in der Gegend von Potschappel.«
    »Von Potschappel? Da bin ich her!«
    »Das freut mich wieder! Wann will Er denn nach Hause?«
    »Das kann ich nicht sagen. Für jetzt möchte ich gern hier im Orte bleiben. Braucht Ihr keinen Burschen, Meister?«
    »Hm, eigentlich nicht; aber weil Er ein Sachse ist und in der Gegend von Potschappel zu Hause, so könnte ich es beinahe einmal mit Ihm versuchen.«
    »Thut es, Meister; es wird Euer Schade nicht sein!«
    »Meint Er? Da klingt ja recht wichtig! Jetzt sieht Er freilich nicht danach aus; aber Er gefällt mir, und wenn Er den guten Willen hat, so wird Er gar bald auch wieder zu guten Sachen kommen. Hat Er ein Felleisen?«
    »Ja; es liegt auf der Herberge.«
    »So hole Er’s; wir sind jetzt einig. Nur merke Er sich das: Ich rede nicht gern viel, aber wir wollen einmal Beide dem stolzen Hilpert da drüben zeigen, daß Er ein Sachse, nämlich ein ordentlicher Kerl und kein Luftikus ist. Da ist meine Hand, schlage Er ein!«
    »Meister, das ist ein Wort, welches mir wohl thut. Habt Dank dafür!«
    »Schon gut. Jetzt gehe Er, damit Er bald in Ordnung kommt!«
    Als ich mit dem Felleisen von der Herberge kam, trat die Meisterin aus der Küche. Sie wollte natürlich den neuen Gesellen sehen und gab mir freundlich die Hand. Sie hatte so wundergute Augen und ein Gesicht wie heller Sonnenschein.
    »Nicht wahr, Er heißt Franz?«
    »Ja.«
    »Dann willkommen, Franz! Gebe Er den Tornister her; das ist meine Sache!«
    Natürlich waren keine Pretiosen in dem alten Ranzen, und ich schämte mich, sie hineingucken zu lassen. Sie machte aber wenig Federlesens, schnallte ihn auf und nahm die Sachen heraus.
    »Ach Gott, ist Er schlimm daran, Er armer Tropf! Von den Sachen kann Er ja gar nichts mehr gebrauchen! Komme Er mit hinauf in die Kammer, da liegen noch Kleider und Wäsche von unserem Jungen; das wird Ihm passen!«
    Ihr könnt Euch denken, wie selig mir zu Muthe war, zu so herzensguten Leuten gekommen zu sein. Ich wurde ausstaffirt nach Möglichkeit und ging dann mit Freuden an die Arbeit. Sie ging mir aus Liebe doppelt schnell von der Hand, und schon nach einigen Tagen klopfte mir der Meister freundlich auf die Schulter.
    »Höre Er, Potschappler Franz, Er ist kein unebener Kerl. Fahre er so fort!«
    Das war mir lieber, als wenn er mir zehn Thaler geschenkt hätte. Ich sah, daß sein Vertrauen immer mehr wuchs, und wurde wie ein Kind gehalten. Na, ich will mich nicht loben, aber Ihr wißt ja Alle, wie ich backe. Ich hatte da Meine gelernt, gab mir Mühe und bemerkte schon nach kurzer Zeit, daß unsere Kundschaft wuchs. Das Brod war stets gut und rein, und als ich mich gar aufs weiße Bachwerk legte, was der Bäckerjakob ganz vernachlässigt hatte, da sah ich den Herrn Obermeister stundenlang drüben am Fenster stehen und grimmige Gesichter herüberschneiden. Wir thaten ihm gewaltig Abbruch, das war nicht zu verkennen.
    Aber es stand noch Jemand zuweilen am Fenster oder unter der Thür und warf einen verstohlenen Blick herüber, dem man allerdings weder Haß noch Aerger anmerken konnte.

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