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Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Titel: Die Fastnachtsnarren. Humoresken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zog.
    Er blieb stehen und lauschte. Der Obstbau war sein Steckenpferd, sein einziges Vergnügen; er kannte fast jedes Blatt auf seinen Bäumen, wußte fast von jeder Frucht den Tag, an welchem sie zur vollständigen Reife gelangen würde, und ganz besonders war ihm da drüben der Rettigsbirnenbaum ans Herz gewachsen, dessen große, grüne und saftigen Früchte von einem solchen Wohlgeschmacke waren, daß man hätte wünschen mögen, als Wurm zeitlebens in einer solchen Birne stecken zu dürfen. Und jetzt raschelte es da oben in den Aesten und Zweigen so verdächtig! Eine Katze konnte das nicht sein; das war jedenfalls ein Mensch, eine Person, die hinaufgeklettert war, um ihn zu bestehlen.
    Aber wer war es wohl eigentlich? Der Lehrjunge ganz sicherlich nicht, denn dem war jedenfalls heut die Lust zu neuen Dummheiten vergangen. Wer aber sonst? Reichmann wandte sich von der Laube ab und schlich leise, leise auf den Baum zu. Richtig da oben saß Einer zwischen den Zweigen und schnabulirte in aller Gemüthlichkeit und Seelenruhe von seinen kostbaren Birnen. Er konnte den schwarzen Punkt, welcher gegen den lichteren Himmel ganz deutlich abstach, sehr wohl bemerken, auch vernahm er das pflückende Geräusch, mit welchem der ungeladene Gast sich eine Birne nach der anderen aus den Zweigen langte.
    Was war zu thun? Der Kerl mußte gefangen, unbedingt gefangen und bestraft werden, denn so eine Unverschämtheit war doch geradezu unerhört. Wenns dort in der Ecke auf dem alten Holzbirnenbaum gewesen wäre, das hätte noch schleichen mögen; aber sich hier gerad in die schönsten Delikatessen zu setzen und loszukauen, als ob man sich auf acht Wochen satt essen wollte, das war zu toll! Jedenfalls hatte der Spitzbube keinen schlechten Geschmack, aber die ganze Geschichte war nicht nach Reichmanns Geschmack, und so mußte er festgenommen und ausgewischt werden, ja ausgewischt, und zwar ganz gehörig! Aber wie? So ein Mensch ist immer gefährlich, und es ist nicht gerathen, allein mit ihm anzubinden; aber fortgehen und Hülfe holen, das wäre die größte Dummheit gewesen, denn da hätte sich der Dieb ja inzwischen mit aller Gemächlichkeit aus dem Staube machen können. Um Hülfe rufen? Ja, das wäre wohl das Beste gewesen, aber – wer kann denn mit so einer schiefen und angeschwollenen Physiognomie ordentlich schreien!
    Er legte die Hand an die schmerzende Backe, zog mit riesenhafter Anstrengung die Lippen auseinander und:
    »Heda, gu–gu–guter Freund,« klang es in eigenthümlich überschnappenden Tönen zwischen den Zähnen hervor, »das schme–me–meckt wohl gut?«
    Eine Birne fiel ihm als Antwort auf den Kopf.
    »Tausendsa–sa–sapperlot, so passe doch auf, wo Du hi–hi–hinwirfst! Wer bi–bi–bist Du denn eigentlich?«
    Eine zweite Birne, jetzt besser gezielt, quetschte sich auf seiner Nase breit und fiel dann vollends zur Erde.
    »I Du Hallu–lu–lunke Du!« schrie Reichmann, was man jedoch kaum drei Schritte weit zu hören vermochte, und fuhr sich mit beiden Händen an den maltraitirten Riecher. »Willst Du wohl die Bi–Bi–Birnen hängen lassen und gleich heru–ru–runter kommen!«
    Ein dritter Wurf traf ihn, diesmal allerdings auf die zum Schutze vorgehaltenen Finger.
    »Au! Wart nur, Bu–Bu–Bursche, Dich will ich schon kriegen! Na, wirds bald, oder soll ich hina–na–naufkommen?«
    Statt aller Antwort schüttelte der droben Sitzende den Wipfel des Baumes mit solcher Kraft, daß ein förmlicher Birnenregen entstand und der Particulier sich am ganzen Körper bombardirt fühlte. Das war ihm denn doch zu arg. Freiwillig kam der Dieb ganz gewiß nicht herunter; er mußte herab geholt werden, und da das Herbeischaffen einer Leiter nicht rathsam war, so faßte Reichmann den kühnen Entschluß, hinaufzuklettern, ehe er durch ein zweites Schütteln eine neue Beschädigung an Leib und Gut erlitt. Er umspannte also den schlanken Stamm des Baumes mit beiden Armen und zog die Beine in die Höhe, um sich empor zu schieben.
    Zwar hatte er in seinen jungen Jahren manchen Baum erstiegen und eine nicht gewöhnliche Geschicklichkeit im Klettern gehabt, aber damals war er ein schlanker Junge gewesen, und jetzt – jetzt war ihm der Bauch ganz außerordentlich im Wege, und den konnte er doch nicht einstweilen unten liegen lassen! Und dazu das Asthma, das liebe, dumme Asthma, das ihn um das ganze Bischen Athem brachte! Ein Glück wars nur, daß dritthalbe Elle über dem Boden sich ein Aststrumpf sich befand, auf dem man

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