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Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Titel: Die Fastnachtsnarren. Humoresken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sich ein Wenig ausruhen konnte!
    Wie ein vom Selbstbewußtsein aufgequollener Laubfrosch, so kroch der Particulier Zoll für Zoll in die Höhe und nahm endlich keuchend auf dem Stumpfe festen Halt. Die Backe war vergessen, auch an die mißhandelte Nase dachte er jetzt nicht; Luft, Luft, Luft! das war’s, was er brauchte, und nach zehn Minuten hatte sich endlich seine Lunge so weit erholt, daß der Puls nicht mehr
furios,
sondern in einem lebhaften
Allegro
klopfte. Während dieser ganzen Zeit hatte der Birnengast ruhig fortschnabulirt. Der Kerl mußte einen wahren Wolfshunger besitzen und ganz bedeutende Mengen Obst verschlungen haben.
    Dieser Gedanke brachte den durch die Anstrengung etwas abgekühlten Zorn Reichmanns in neues Lodern, doch wollte er es noch einmal auf dem Wege der Parlamentation versuchen:
    »Nun, wie stehts! Wi–wi–willst Du kommen?«
    Wie vorher, war eine Birne die Antwort; ihr folgten mehrere, eine immer schnell nach der andern, und dabei zeigte der Schütze eine solche Fertigkeit im Werfen, daß keine den Punkt verfehlte, den sie treffen sollte. Das war ja eine vollständig lebensgefährliche Lage! Wuthentbrannt umarmte Reichmann den Stamm von Neuem und schob sich mit einem Eifer vorwärts, als müsse er heut Abend noch den Mond erreichen.
    Jetzt war für Franziscus Bonifazius Schmerl der Augenblick des Handelns gekommen. Er stieg bis auf den untersten Ast herab, nahm rittlings auf demselben Platz, schwang das Bein herum, umfaßte mit Händen und Füßen den Stamm, fuhr an demselben, statt langsam zu klettern, mit rapider Geschwindigkeit hernieder und schlug in Folge dessen mit demjenigen Theile seines Körpers, mit welchem er am Nachmittage in dem Blechtopfe gesessen hatte, dergestalt auf den Kopf des emporkrächzenden Particuliers, daß diesem Hören und Sehen verging und beide mit lautem Krachen selbander zur Erde fuhren. Reichmann schlug einen Purzelbaum rücklings über seinen eigenen Bauch hinweg; Franziscus Bonifazius Schmerl machte einen Riesenschwung zwischen die Beine Reichmanns hindurch, wobei die Perücke des Letzteren in seine Hände gerieth; der Dicke, nur auf den Fang des Spitzbuben bedacht, griff mitten in der künstlerischen Um-und Durcheinanderwälzung mit beiden Armen nach dem Inculpaten, erwischte aber nur seine eigenen falschen Haare, da der gewandte Lehrjunge sich wie ein Aal den zehn vigilirenden Fingern entwandt und augenblicklich im Dunkel der Nacht verschwunden war.
    Mit Mühe erhob sich Reichmann. Die Knochen und Muskeln seines wohlgepflegten Leichnams waren ihm vor Erstaunen über die ungewohnte Turnerei, vollständig aus Rand und Band gerathen und nur noch unter der größten Anstrengung und unter den ausgesuchtesten Gesichtsverzerrungen war es ihm möglich, seinem Rücken die ursprüngliche gerade Richtung wiederzugeben. In Ermangelung einer medizinisch heilsameren Einreibung frottirte er sich die gequetschten, verbogenen und geschundenen Glieder mit der glücklich eroberten Perücke, was er erst dann bemerkte, als er sich damit an die blauangelaufene Nase fuhr.
    »Was Tausendsa–sa–sapperlot, da habe ich ja dem Kerl seine Perü–rü–rücke erwischt! Wart, Bu–Bu–Bursche, jetzt bist Du geli–li–fert! Die trage ich auf die Po–Po–Polizei, und dann –––«
    Vor Freuden über den Fang hätte er fast einen Luftsprung gemacht, zog aber mit einem stöhnenden »Au!« das Bein wieder zurück, denn wurde eine solche Extravaganz ihm schon im gesunden Zustande schwierig, so war sie jetzt vollends gar eine Unmöglichkeit. Er kam sich vor wie der arme Lazarus im Evangelium und humpelte, nach allen Tonleitern lamentirend, im Dreizehnachteltakte durch den Garten und Hof in seine Wohnung zurück.
    Dort empfing ihn seine Frau mit erwartungsvollem Blicke.
    »Nun, hast Du sie gesehen?«
    »Nein, aber erwi–wi–wischt habe ich ihn,« antwortete er, indem er sich vorn und hinten zugleich kratzte.
    »Erwischt hast Du ihn? Also war er doch bei dem Mädchen?«
    »Nein, aber auf dem Rettigsbi–bi–birnenbaum hat er gesessen.«
    »Du bist nicht klug! Der Passelmüller?«
    »Der? Nein, der nicht, aber der Spi–pi–pitzbube.«
    »Höre ‘mal, ich glaube, bei Dir fehlts im Oberstübchen!«
    »Ja, we–we–wenns nur das wäre! Aber bei mir liegts in allen Gliedern; man ist die Klet–te–terei nicht mehr gewohnt!«
    »Geklettert bist Du?«
    »Ja und wie! Der große Li–li–liegel; welcher Apotheker in Braunau war und die schö–schö–schönen Aufsätze in die

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