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Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Die Fastnachtsnarren. Humoresken

Titel: Die Fastnachtsnarren. Humoresken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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über den Kopf nehmend, hinter dem Sopha nieder; Reichmann dagegen ergriff mit Eifer die Gelegenheit, einmal Muth zu zeigen und seinem »Herrn im Hause« zu imponiren. Er schlug, hieb und stieß mit wahrer Todesverachtung nach den Thieren, die sich nun auf ihn warfen, hüpfte sprang und rannte trotz seiner Beleibtheit wie besessen im Zimmer herum, riß die Moderateurlampe von der Kommode, den Drehspiegel vom Nähtische und die Stutzuhr vom Sekretair, konnte sich aber trotz dieser schweren Opfer der gefährlichen Stacheln so wenig erwehren, daß er endlich die Thür aufriß, um das Schlachtfeld zu räumen.
    Draußen stolperte er über den Franziscus Bonifazius Schmerl weg, welcher mit dem Ohre an der Thüre lehnte, um mit großem Gaudium das Unheil zu belauschen, welches er angerichtet hatte.
    Den Zusammenhang sofort ahnend, hatte er den Jungen rasch beim Ohre, um ihn von dem Dasein einer strafenden Gerechtigkeit zu überzeugen. Schmerl wehrte sich gegen die ihm zugedachten schlagenden Gründe nach besten Kräften; beide zogen und schoben sich hin und her, kamen dabei der Treppe immer näher, und eben ließ Reichmann den Hummelfänger auf einen Augenblick los, um ihm mit größerer Sicherheit eine jener Feigen zu versetzen, welche hinter dem Ohre am besten kleben bleiben, als er den festen Grund und Boden verlor und auf allen Vieren verkehrt die Stufen hinunter rumorte.
    »Jemine, Herr Reichmann, Sie fahren heut ja fünfter Classe!« rief ihm Schmerl noch nach, und dann war er in der oben liegenden Mehlkammer verschwunden.
2.
    Es war am Abende desselben Tages. Der Herr Particulier Reichmann saß auf seinem Sopha und hielt mit beiden Händen den dicken Backen, welcher ihm von einem Hummelstiche angeschwollen war, und sein Spezial, der Lehrjunge Schmerl, saß unten im Hofe auf dem Hackeklotz und hielt mit beiden Händen die Magengegend, sintemalen es ihm grad an diesem Punkte seines Körpers ganz trübselig zu Muthe war, da ihn der Meister zur Strafe für seinen Streich vom Abendessen dispensirt hatte.
    »Es giebt keinen leeren Raum in der Welt«, heißt ein physikalischer Lehrsatz; unser Franziskus Bonifazius aber hätte recht wohl beweisen können, daß es mit der Wahrheit dieses Satzes nicht mit dem Besten stehe, denn sein Magen war leer, vollständig leer, und der lag ja doch nicht sechzig Meilen außerhalb der Welt. Und dazu fiel draußen im Garten eine reife Rettigsbirne nach der andern herab auf den glattgeschoorenen Rasen; man konnte es ganz deutlich hören, und – so etwas hören und nicht zugreifen dürfen, das war doch noch viel schlimmer als der dumme Lehrsatz!
    Hülfe gab es hier nicht, denn der Einzige, von dem sie zu erwarten gewesen wäre, Julius, hatte ihm auch seinen Streich verwiesen und dem Vater vollständig Recht gegeben; so galt es also, zu hungern, oder – na die Rettigsbirnen, die brachten ihm ja schließlich doch auch wieder eine Tracht Prügel und neues Hungern ein! So einen Lehrjungen geht es doch immer zum Verzweifeln schlecht; auf ihn hackt Alles hinein, und wenn er einmal aus Jugendlust oder reinem Lebensüberdruß einen kleinen Jux macht, so gerbt man ihm das Fell, daß die Schwarte raucht.
    Und daß er hat Lehrjunge werden müssen, wer anders ist denn daran Schuld als nur der Filz, der Pappermann in Grünewalde, der eigentlich sein Onkel ist und für ihn sorgen könnte! Aber der hat sich nach dem Tode seines armen Bruders um die Wittwe und Kinder desselben nicht bekümmert, und als die Erstere einige Jahre darauf aus übergroßer Anstrengung auch gestorben ist, sind die Letzteren in das Gemeindehaus gekommen und werden außer dem Franz, der der Aelteste ist, noch heut von Commun wegen erzogen. Und dabei thut der Pappermann so fromm und barmherzig wie ein mongolischer Heiliger und lehrt in der Schule von der Nächstenliebe und einem halben Schocke anderer guter Tugenden, die er alle zusammen mit dem Löffel gegessen hat. O, wenn man doch dem einmal so einen rechten Streich spielen könnte; daß müßte einer werden, der sich gewaschen hat! Aber er wohnt in Grünewalde, und dahin kommt doch der Franz nicht.
    Da öffnete sich leise die Hofthür, und vorsichtige Schritte nahten sich dem in trüben Gedanken versunkenen Jungen.
    Es war Marie. Als sie den Sitzenden erblickte, blieb sie stehen.
    »Franz bist Du’s?«
    »Ja.«
    »Was machst Du denn hier haußen?«
    »Die essen drin, und da bin ich ausgerissen.«
    »Ausgerissen? Warum denn?«
    »Es giebt geschmoorte Kartoffeln, mein Leibessen,

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