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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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sie in unseren Regionen häufig sind, aber ebenso das beste Ziel für brennende Pfeile und glühend gemachte Kiesel, die unsere Bogen- und Schleuderschützen mit großem Geschick aussenden.
    Es war …
    Wie soll man mit Worten diesen lodernden Scheiterhaufen von den Ausmaßen einer ganzen Stadt beschreiben, dies Flammenmeer, das der verhehrende Wind weiter und weiter peitschte? Der Himmel war rot und schwarz, riesige Funkengarben schossen empor, die sofort im Wirbelsturm des Rauchs erloschen. Inkill Chumpi schluchzte. Ich stand versteinert. Wie konnte Manco es wagen? Cuzco in Brand zu stecken, unsere Stadt, den Nabel der Erde, die Heimstatt der Götter! War ihm denn nichts mehr heilig?
    Die Soldaten zerrten uns weiter.
    Wir hatten sie vor uns, hinter uns und einen an jedem Arm. Einer, ein Riese mit einer Knollennase und rotem Bart, hatte sich Qhora auf die Schultern gesetzt, sonst hätte die Menge sie zertreten. Mitten unter den Spaniern wimmelte es von Eingeborenen, die mit Schiffen von Panama gekommen waren oder den unterworfenen Stämmen angehörten. Die Elenden waren gelb vor Angst, weil sie nur zu gut wußten, daß sie von unseren Kriegern den Tod der Verräter zu gewärtigen hatten.
    Am Rande des Platzes begann die Unterstadt. Dort schien alles ruhig. Man konnte wieder Luft holen, der Lärm blieb hinter uns zurück. Vor dem Acllahuasi angelangt, drückten die Soldaten uns an die Mauer, um einen Trupp Pferde durchzulassen, die von den Reitern am Zügel geführt wurden. Sie bogen in die Umfriedung des Sonnentempels ein, der zur Kathedrale Santo-Domingo geworden war. Vermutlich wollte man die Tiere in dem Garten unterbringen, wo jeder unserer Inkas, bis hin zu Huascar, mit eigenen Händen eine besondere Sorte Mais gesät, gewässert, gepflegt und geerntet hatte, der ausschließlich zur Weihegabe bestimmt war … Natürlich gab es dort keinen Mais mehr, ebenso wie die goldenen Tafeln und Perlen, die Smaragde, die Türkisbuckel, die Mosaike aus Edelsteinen verschwunden waren, die zu Friedenszeiten die Mauern und Türen des Tempels mit funkelnden Fresken überzogen hatten und bis ins Dachgebälk strahlten.
    Die Soldaten brachten uns in den Tempel.
    Wir überquerten den Platz der Sonne, dann gingen wir um das gewaltige Bauwerk herum, wo die Geister unserer Götter so lange ihr Licht hatten leuchten und ihre Gebote kundwerden lassen. Nach den Schilderungen, die Huascar mir von diesen verbotenen Orten gegeben hatte, die nur der Hohepriester, seine Untergebenen, der Inka und einige seiner Verwandten betreten durften, erkannte ich den riesigen Innenhof wieder, der einst, mit Bäumen und Büschen bestanden, über und über blühte und berühmt war für seine fünf Wunderfontänen. Sie waren verstummt. Die Rohrleitungen waren herausgerissen worden, aber das größte Becken, das dem Hochzeitsbad der Coya vorbehalten war, stand von den letzten Regengüssen noch voll Wasser.
    Als wäre es abgesprochen, stürzten wir alle zu dem Becken wie verdurstende Tiere. Der Soldat, der Qhora getragen hatte, stellte sie in das Bassin hinein. Die anderen lachten, Wasser perlte von ihren Bärten. Doch wie beschämt, daß sie sich hatten hinreißen lassen, packten sie uns aufs neue und brachten uns in ein kleines Nebengebäude, durch das eine schmale Galerie unter freiem Himmel lief. Auf jeder Seite lag ein fensterloser Saal mit einem Fußboden aus gestampftem Lehm. Sie steckten uns in den einen. In der Galerie hielt ein Soldat Wache.
    Wir kauerten uns nieder. An der Wand vor mir hingen ein hölzernes Kruzifix und ein Rosenkranz aus beinernen Perlen. Es mußte Mittag sein: die Sonne stand senkrecht über der Galerie.
    »Asarpay, was werden sie mit uns machen?« flüsterte Inkill Chumpi.
    Ewige Frage!
    »Die Pizarros wollen uns offenbar als Geiseln bewahren. Es gibt Hoffnung.«
    Inkill Chumpi seufzte.
    Ich betrachtete sie. Ihre molligen Formen waren verschwunden, sie betrug sich nicht mehr wie ein verwöhntes Kind. In ein, zwei Jahren wäre sie eine sehr schöne junge Frau, sehr verführerisch mit ihren großen, so leicht erregbaren Augen, ihrer Patriziernase und ihrem üppigen Liebesmund … In ein, zwei Jahren? Vielleicht war sie in wenigen Stunden tot.
    Um unsere Lage zu erkunden, verlangte ich von dem Soldaten Nahrung. Wir hatten seit dem vergangenen Morgen nichts gegessen.
    »Wer in die Hölle kommt, wo die Abtrünnigen hingehören, der braucht keinen vollen Magen«, antwortete er.
    Am Nachmittag herrschte im Tempelbereich ein

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