Die Feen - Hallmann, M: Feen
eines in die Jahre gekommenen Bluthunds hatte und müde aussah. »Mister Reutter ist der Pate des vermissten Jungen. Er hat entdeckt, dass das Pferd verschwunden ist.«
»Nicht ganz«, murmelte Benny. »Eigentlich hat Cooper es entdeckt. Ich war nur dabei.«
»Können Sie mir etwas zu Mister von Hauensteins Gewohnheiten sagen?«, fragte Frey, der sich an Felix’ deutschem Nachnamen fast verschluckte, und betrachtete ihn mit müden Augen. Er war an die fünfzig und, obwohl er nicht allzu groß war, so bullig, dass Benny unwillkürlich dachte, in den engen schottischen Türen müsse er mit den Schultern stecken bleiben.
»Leider nicht«, sagte Benny. »Ich weiß gar nichts. Ich bin noch nicht so lange hier. Und ich kenne Felix nicht besonders gut, tut mir leid. Vielleicht – irgendwo am See.« Unwillkürlich wechselte er einen Blick mit Oliver, der schweigend hinter ihm aufragte. Oliver zuckte kaum merklich mit den Schultern.
»Am See«, wiederholte Frey, nicht besonders zufrieden. »Na gut.«
»Wo wollten Sie beide eigentlich hin?«, erkundigte sich die Rutherford, plötzlich etwas schärfer. »Sie wollten aber nicht zufällig auf eigene Faust Mister von Hauenstein suchen?«
»Na ja«, murmelte Benny. »Also, kurz am See nachschauen wäre ja nicht direkt …«
»Sie haben wohl vergessen, dass Sie sich nach zehn Uhr abends nicht außerhalb Ihres Trakts aufzuhalten haben«, tadelte sie. »Ich will es dieses eine Mal vergessen. Aber jetzt gehen Sie beide zurück. Ich kann es nicht gebrauchen, dass hier draußen Schüler auf eigene Faust herumstromern und am Ende auch noch abhandenkommen. Draußen haben sich nur die Suchmannschaften aufzuhalten, das ist alles. Seien Sie sich gewiss, dass wir alles tun, um ihn zu finden.«
Wieder wechselten Oliver und Benny einen Blick.
»Haben Sie denn schon am See nachgeschaut?«, erkundigte sich Oliver. »Da ist er wirklich oft.«
»Danke für die Information, Mister Hegeling«, sagte die Rutherford. »Wir werden sie in die Suche mit einbeziehen. Irgendeine spezielle Stelle, an der sich Mister von Hauenstein besonders häufig aufhält?«
Etwas ratlos öffnete Oliver den Mund, aber Benny kam ihm zuvor. »Am Sandweg. Der kleine Weg, der vom Marktplatz aus zu den Kuhweiden führt. Dort ist er gern, glaube ich.«
Die Rutherford und Frey schauten einander an. »Gut«, brummte Frey. »Ich lasse nachschauen.« Er nickte seinem Kollegen zu, der sich in den Wagen beugte und nach dem Funkgerät griff.
»Und Sie beide sehen zu, dass Sie in Ihren Trakt kommen«, scheuchte die Rutherford sie fort. Ihr Gesicht war blass vor Sorge, sie wirkte zehn Jahre älter und zehn Kilo magerer als vorhin in ihrem Büro.
Eilig hasteten die beiden nach drinnen.
Ohne ein Wort zu wechseln, nahmen sie den direktesten Weg zur Roten Halle, wo niemand war und nur Erinnerungen an die Nacht von Ned Finleys Verschwinden lauerten, und verließen die Burg auf der Moorseite. Erst als sie Glen mühsam umrundet hatten, an den Sporthallen entlang, durch den Windschatten des Ostturms und am Grillplatz vorbei, begriff Benny, wo er hinwollte.
Die Brücke war vergleichsweise hell von den gelblichen Laternen beleuchtet und in Sichtweite der Burg, deshalb stromerte er am Ufer des kleinen Ausläufers des Sees entlang, auf der Suche nach einer seichten Stelle.
»Ohne uns nasse Füße zu holen, kommen wir da nicht rüber«, sagte Oliver leise hinter ihm. »Es sei denn, wir laufen einen halben Kilometer und dann wieder einen halben zurück. Durch dichtes Gestrüpp übrigens.«
Benny nickte. Vermutlich sah Oliver es im Dunkeln gar nicht. Benny ahnte nur seinen hellen Haarschopf als verschwommenen Fleck. Der Himmel war bewölkt, und abseits des schwach beleuchteten Wegs war es dunkel, als wären sie in ein Tintenfass gefallen. Stillschweigend kamen sie überein, zur Brücke zurückzugehen. Eilig überquerten sie sie und trabten den schwach beleuchteten Weg entlang. Nicht weit von ihnen gluckerte und schwappte der See, obwohl er ruhig dazuliegen schien, eine endlose, schwarze Fläche, scheinbar uferlos in der Nacht, in die er nahtlos überging. Obwohl der Wind ihnen entgegenblies, glaubte Benny das Moor zu riechen, dazu einen schwachen Hauch von Algen.
Dass ihnen etwas folgte, merkte er erst, als sie die Brücke längst hinter sich gelassen hatten. Er wurde etwas langsamer, und Oliver schloss zu ihm auf. »Ich höre es auch«, flüsterte er, ehe Benny etwas sagte.
»Da ist etwas«, zischte Benny.
»Oder jemand. Geh
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