Die Feen - Hallmann, M: Feen
gesagt, ich soll …« Verärgert spürte er, wie ihm das Blut in die Wangen stieg. Mein Pate hat gesagt, ich soll lernen, wie man sich Bücher ausleiht. Na super.
Sie nickte. »Du brauchst vermutlich eine Schnelleinweisung ins Bibliografieren. Du bist Robin, oder?«
»Benny.«
»Huch?«
»Robin Benedict Reutter. Benny.« Er war immer noch knallrot, und es wurde nicht besser dadurch, dass ihm plötzlich bewusst wurde, dass er sie hübsch fand. Auf so eine schmale, blasse, müde Art hübsch. Vielleicht lag es auch an dem Spott in ihren Augen.
»Hast du jetzt Zeit, oder wollen wir einen Termin vereinbaren?«, fragte sie.
»Äh. Ja.«
Belustigt blitzte sie ihn an. »Was ja – Zeit oder Termin?«
»Zeit. Äh, Termin. Also, ich muss gleich in den Unterricht. Ich weiß nicht, wann …« Im Stehen klappte er die Mappe auf, in die er die ganzen Zettel von Elvis gestopft hatte. Der Inhalt geriet ins Rutschen, und ein Zettelregen ergoss sich auf den Boden. Fassungslos starrte er hinterher.
»Ah!«, sagte sie und fischte zielsicher den Stundenplan heraus. »Liebe Güte, das ist aber ambitioniert.«
Vom innigen Wunsch beseelt, es möge ein Amokläufer hereinstürmen und ihn erschießen, beugte er sich hinunter und sammelte die Zettel wieder ein. Vor Verlegenheit über seine Ungeschicklichkeit wurde er immer ungeschickter, es kam ihm vor, als würden die Zettel vor seinen Händen fliehen und wären glitschig wie in Öl eingelegte Aale. »Die mit X markierten Stunden sind Pflichtstunden. Bei den eingekreisten muss ich mal schauen, was ich mache und was nicht.«
»Mhm. Na, aber dann bietet sich ja trotzdem an, dass du entweder abends kommst oder am Sonntag.« Sie bückte sich nach einem übersehenen Zettel und reichte ihn Benny. »Passt dir heute Abend vielleicht?«
»Ja. Klar.« Er starrte ihre Hand an, riss mit Mühe den Blick davon los und nahm den Zettel entgegen. An einem ihrer Finger fehlte das oberste Glied.
»In einem Lexikon eingeklemmt«, sagte sie und verzog das Gesicht. »Gefährlicher, als man denkt, die Arbeit als Bibliothekarin.« Er vermochte nicht zu sagen, ob es ein Scherz war oder nicht.
»Komm doch einfach nach dem Abendessen vorbei«, schlug sie vor, »und ich zeig’s dir schnell. Bring eine Stunde Zeit mit, dann hast du die Grundlagen. Ist halb so wild.«
»Oh. Nein. Mir fällt gerade ein …«
»Was denn?«
»Heute Abend habe ich Stalldienst«, murmelte er verlegen. Sterben. Einfach sterben wäre schön. Warum wurden Menschen nicht einfach mit einem Knopf geboren, den man jederzeit drücken konnte, wenn einem danach war, tot umzufallen? Jetzt gerade hätte er ohne jedes Bedauern mit beiden Fäusten draufgehämmert.
»Stalldienst, so.« Einer ihrer Mundwinkel zuckte. »Na, dann wohl doch besser Sonntag. Nach dem Mittagessen?«
Er nickte. »Prima«, würgte er heraus.
»Okay. Dann – also, die Kopierer sind ganz einfach zu bedienen.«
»Die Kopierer?«
»Du wolltest etwas kopieren.«
»Stimmt! Meinen Stundenplan. Ich will ihn einem Freund schicken, der glaubt im Leben nicht, wie viel … wir haben uns schon immer aufgeregt, wenn … also – ja. Ja, ich wollte noch etwas kopieren. Stimmt.« Vor Übelkeit war er ganz schwach. Das wurde ja immer schlimmer! Fühlten sich Leute wie Gerome ihr ganzes Leben lang so? Er zog in Erwägung, seinen Kopf eine halbe Stunde lang auf den Boden zu hämmern. »Wo sind denn …«
»Dort drüben.« Sie zeigte auf die Tür, er drehte sich um und hatte ein Déjà-vu. Stimmt. Hatte sie ihm bereits gezeigt. Sein Gesicht war wie aus Holz, die Stimme klang blechern in seinen eigenen Ohren. »Danke.«
»Nichts zu danken. Falls du mit den Kopierern nicht zurechtkommst, sag einfach Bescheid. Nimm den großen gleich links, müsste alles richtig eingestellt sein.«
Er nickte, bedankte sich noch einmal und wandte den feuerroten Kopf zur Tür, drehte den Rest des Körpers hinterher und wankte drauflos. Endlich erreichte er die Tür, ohne zu stolpern, floh hindurch und um die Ecke, endlich sicher vor Blicken. Er legte die prall gefüllte Mappe auf einem kleinen Tisch ab, stützte sich mit beiden Händen auf den Kopierer und atmete tief durch. Schweißnass war er. Was zum Teufel war das gewesen? So bescheuert hatte er sich noch nie gefühlt. Jetzt zusammenreißen. Damit musste Schluss sein. Sie musste ihn für einen völligen Idioten halten, und es war ihr nicht zu verdenken, er stimmte ihr darin vollkommen zu. Dabei wusste er nicht mal, was los war. Irgendwie hatte
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