Die Feenflöte
Am auffälligsten waren ihre Augen, die jung und lebendig strahlten.
"Kann ich den Herrschaften helfen, oder möchten sie sich nur umschauen?"
"In erster Linie suche ich etwas über Musik, Komponisten, Instrumente und dergleichen." antwortete Sean. "Aber zunächst," fuhr er mit einer ausholenden Handbewegung fort, "möchte ich gerne die Vielfalt ihres außergewöhnlichen Sortiments anschauen."
Die alte Dame lächelte freundlich.
"Schauen sie sich nur in Ruhe um. Ich suche ihnen gerne in der Zwischenzeit einiges heraus, was sie interessieren könnte. Ich lege es ihnen auf das Lesepult dort drüben. Wenn sie Fragen haben, stehe ich ihnen zur Verfügung."
Mit diesen Worten entfernte sie sich und begann, in den Regalen zu suchen. Gelegentlich kletterte sie auf eine alte Trittleiter, um an die oberen Regalböden zu gelangen. Nach einer Weile legte sie mehrere Exemplare von Büchern und großformatigen Heften auf das Lesepult und entfernte sich wieder in den hinteren Teil des Verkaufsraums.
Sean und Catherine bewunderten in der Zwischenzeit einige gut erhaltene großformatige Bücher, alte Atlanten, wissenschaftliche Schriften aus den vergangenen Jahrhunderten mit zahlreichen Zeichnungen und kolorierten Stichen von Pflanzen und Tieren. Der größte Teil der Literatur war natürlich in Französisch geschrieben, daneben gab es jedoch auch Bücher aus anderen europäischen Ländern. Ein dickes Buch mit nordischen Sagen in Norwegisch war darunter, einige Bände alter deutscher Lyrik, die vom vielen Gebrauch ihrer früheren Besitzer teilweise zerlesen und abgegriffen waren, und eine ganze Reihe von Veröffentlichungen der alten Königlichen Geographischen Gesellschaft aus dem England des 19. Jahrhunderts, in denen Reiseberichte und Forschungsergebnisse ihrer Mitglieder aus allen Teilen des Empires zusammengetragen worden waren.
Sie machten sich gegenseitig immer wieder auf Besonderheiten der Bücher oder der Zeichnungen aufmerksam, bewunderten die alten ledernen Einbände, und versuchten gemeinsam, handschriftliche Eintragungen auf den Innenseiten einiger dieser Exemplare zu entziffern. Sie genossen es, diese Entdeckungen zu machen und hatten beide große Freude an ihrer gemeinsamen Unternehmung.
"Mein Französisch ist ohnehin sehr unvollkommen," sagte Sean, als er einen alten Roman von George Sand in Händen hielt. "Wenn ich dann auch noch mit dem Stil und der Sprache des vorletzten Jahrhunderts konfrontiert werde, stoße ich an meine Grenzen."
"Das kann ich mir vorstellen." antwortete Catherine mit einen Blick auf den Text.
"Gut, widmen wir uns den Büchern, die die Inhaberin für uns bereitgelegt hat."
Ein kleines Buch lagen obenauf, kaum größer als eine Hand. Sean blätterte darin und schüttelte den Kopf.
"Mit Latein kann ich nichts anfangen. Immerhin, es muß ein wirklich altes Buch sein."
Als nächstes kam ein Tagebuch. Die Handschrift konnten sie beide nicht entziffern. Es war wohl Französisch, wie man aus einigen Silben und den vielen Accents erkennen konnte. Vermutlich hatte es jemandem gehört, der sich mit Musik beschäftigt hatte, möglicherweise sogar einem Komponisten, denn es war zu einem erheblichen Teil mit Noten versehen, kurzen Entwürfen für Melodien oder Baßstimmen, zusammen mit dem ein oder anderen Kommentar.
"Ein sehr interessantes Einzelstück." sagte Sean. "Ich wüßte gerne, wie der Verfasser heißt."
Er suchte auf den Innenseiten der Klappen nach Eintragungen, fand aber nichts.
"Hier, sehen sie," sagte Catherine, "die erste Seite wurde herausgerissen. Wahrscheinlich hat dort der Name gestanden. Schade."
"Trotzdem könnte es mir gefallen. Ich bin gespannt, was die alte Dame für solch ein Buch haben will."
Er griff sich das nächste Buch, das ein etwas größeres Format hatte. Der Ledereinband war wohl früher einmal mit einer Goldprägung versehen gewesen, von der jetzt nur noch einige wenige Überreste zu sehen waren. Der ganze Einband war arg ramponiert, teilweise hingen lose Fetzen herunter. Sean schlug das Buch auf, blätterte einige Seiten um, und unwillkürlich pfiff er leise. Catherine sah ihn verblüfft an.
"Was erstaunt sie so?"
"Das ist ein Prachtstück! Schauen sie, es ist eine Abhandlung über den Instrumentenbau. Ich schätze etwa Ende 18. Jahrhundert. Da hat sich jemand sehr viel Mühe gemacht. Hier, sehen sie sich diese detaillierte Zeichnung an. Es ist sehr ungewöhnlich, daß jemand zu dieser Zeit diese Dinge in einem einzigen Buch zusammengetragen hat. Es
Weitere Kostenlose Bücher