Die Feenflöte
Telefon.
"Vielleicht kann ich es wieder gut machen. Mal sehen, ob er im Hotel ist."
Es klingelte mehrmals, ehe Sean endlich abhob.
"Hallo Sean! Was ein Glück, daß ich dich erreiche."
"Richard? Nanu, was gibt es so Wichtiges?"
"Vorgestern habe ich etwas vergessen. Ich hatte dich bitten wollen, heute zu einem Treffen in die Agentur zu kommen. Es gibt eine junge Dame, die dich unbedingt kennenlernen will. Allerdings ist sie weniger an dir, als vielmehr an deiner Flöte interessiert. Sie ist Flötenbauerin und will die Tradition ihres Urgroßvaters wieder aufnehmen. Von ihm stammt ganz offensichtlich deine Flöte...."
"Was sagst du da?!" Seans entsetzter Tonfall überraschte Richard.
"Ja, sie hat nach Plänen ihres Urgroßvaters genau die gleiche Flöte gebaut, wie du sie hast. Deshalb möchte Miss Merlane dich gerne sprechen, und ich hatte diese Begegnung organisieren wollen."
"Was hast du gesagt? Wie heißt sie?"
"Miss Merlane." Richard wunderte sich immer mehr über Seans Stimme.
"Sie heißt wirklich Merlane?"
"Genau. Sie ist hier, und ich hab's vergessen dir zu sagen. Könntest du herkommen?"
Richard hörte, wie Sean leise und sehr aufgeregt mit Catherine sprach. Dummerweise sprachen die beiden Französisch miteinander, sodaß er nicht viel verstand. Was hatte denn das nun wieder zu bedeuten?
"Also gut, Richard, wir kommen. Halte diese Miss Merlane auf jeden Fall fest. Das ist ziemlich wichtig, glaube ich... Jedenfalls, also in ungefähr einer halben oder dreiviertel Stunde sind wir da. Sag' bitte im Barbican Centre Bescheid, ich werde wohl zu spät zur Generalprobe kommen. Sag' ihnen halt, es sei sehr wichtig."
"Ich werde mich darum kümmern. Dann sehen wir uns gleich. Ach, übrigens: das Gemälde ist tatsächlich eine Fälschung. Scotland Yard ermittelt bereits gegen Mister van Loenhout, und sie werden ihn später verhaften. Den Rest erzähle ich euch, wenn ihr hier seid."
Sean beendete eilig das Telefonat und ließ Richard nur noch mehr verwundert zurück.
"Er kommt her, Miss Merlane. Es wird wohl wenigstens eine halbe Stunde dauern. Ich hoffe, es ist ihnen trotzdem Recht."
"Jedenfalls ist es für mich allemal wichtig genug, um zu warten."
Jetzt schien auch Miss Merlane mit einem Mal sehr aufgeregt. Was war denn heute los?
"Ich muß sie unbedingt etwas fragen, Mister Harrigan."
"Worum geht es?"
"Sie erwähnten da eben etwas, einen Mann gegen den ermittelt wird wegen Kunstfälschung. Heißt er wirklich van Loenhout?"
"Das stimmt."
"Kunsthändler aus Paris?"
"Genau das. Kennen sie ihn? Sie haben doch hoffentlich nichts von ihm gekauft! Der Gauner läßt Kopien anfertigen und verkauft diese."
Merlanes Gesichtsausdruck verriet große Besorgnis, aber auch Wut.
"Er hatte mir angeboten, ein Buch aufzukaufen, das aus der Feder meines Urgroßvaters stammen soll. Nachdem ich ihn mit dem Kauf beauftragt hatte, ließ er mich wissen, jemand anders sei ihm zuvor gekommen. Wenn der Mann ein Betrüger ist könnte etwas anderes dahinter stecken. Andererseits weiß ich, es gibt ein solches Buch, und dieses ist von ungeheurem Interesse für mich."
"Vielleicht ist es besser so. Stellen sie sich vor, er hätte ihnen für viel Geld eine Fälschung verkauft. Und obendrein das Original an jemand anderen."
Merlane war entsetzt. Was mochte da geschehen sein? Hatte dieser van Loenhout versucht, sie zu betrügen? Besaß er in Wirklichkeit das Buch längst? Für sie hatte es von Anfang an keinen Zweifel gegeben, daß sie endlich auf die Spur des
Tor der Musik
gestoßen war. Hatte er die Absicht, Kopien herzustellen? Wie sollte sie diese alle finden und in Sicherheit bringen? Wenn man diesen Mann womöglich ins Gefängnis steckte, würde er kaum eine weitere Straftat offenbaren. Und das ausgerechnet jetzt! Sie müßte sich augenblicklich darum kümmern! Sie würde Hilfe holen müssen, und zwar rasch. Trotzdem mußte sie warten, bis die Angelegenheit mit der Flöte erledigt war.
Richard bat sie, im Empfangsbereich zu warten. Unruhig ging sie auf und ab und versuchte vergeblich, sich auf die Begegnung mit Sean Dennehy zu konzentrieren. Das durfte nicht schiefgehen. Sie mußte diese Aufgabe erfüllen. Irgendwie mußte sie es auf Anhieb schaffen, die Flöten auszutauschen. Dann würde sie die verbleibenden 24 Stunden bis zum Konzert nutzen, um eiligst zum Feenschloß zurückzukehren, den Weisen Rat zu informieren und mit ein paar Helfern nach London zurückzukehren. Wenigstens war es ihr gestern gelungen, den jungen
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