Die Feinde des Geisterjaegers
wirbelte herum und schwang seinen Stab in raschem Bogen von links nach rechts. Er verfehlte Morwenas Kehle um Haaresbreite und mit einem grässlichen Wutschrei kippte sie wenig graziös wieder zurück ins Wasser.
Erstarrt sah der Spook ins Wasser. Dann zog er sich die Kapuze ins Gesicht, sodass sie seine Augen bedeckte. Er musste das zugesteckte Auge bemerkt und erkannt haben, mit wem er es zu tun hatte. Ohne Augenkontakt konnte Morwena ihr Blutauge nicht gegen ihn einsetzen. Doch er würde »blind« kämpfen müssen.
Unbeweglich wartete er, und ich sah besorgt, wie sich die letzten Wellen im Kanal beruhigten und die Oberfläche glatt wie Glas wurde. Plötzlich schoss Morwena erneut aus dem Wasser und griff noch heftiger an als zuvor. Sie landete am Rand des Kais, wo ihre Schwimmfüße schmatzend auf dem Holz aufklatschten. Ihr Blutauge war jetzt offen und richtete sich direkt auf den Spook. Doch ohne aufzusehen, stieß er nach ihren Füßen, sodass sie gezwungen war, sich zurückzuziehen.
Augenblicklich schlug sie mit der linken Hand nach ihm, um ihm ihre Krallen in die Schulter zu schlagen, doch er trat rechtzeitig beiseite. Als sie sich daraufhin herumdrehte, wechselte er den Stab von der linken in die rechte Hand und stieß hart und kraftvoll zu. Diesen Trick hatte er mich vor dem abgestorbenen Baum in seinem Garten üben lassen – er hatte mir im Sommer, als ich gegen Grimalkin kämpfen musste, das Leben gerettet.
Er führte den Stoß perfekt aus und die Spitze der Klinge drang in Morwenas Seite. Sie stieß einen entsetzten Schrei aus, sprang zurück und machte einen Salto ins Wasser. Der Spook wartete eine ganze Weile, aber sie griff nicht wieder an.
Erst dann kam er rasch zu mir, bückte sich und zog mir das Tuch vom Mund.
»Alice ist im Laderaum eingeschlossen!«, keuchte ich, »Mr Gilbert ist tot. Und die, die Sie angegriffen hat, das war Morwena, die Tochter des Teufels. Sie hat Arkwright getötet! Und es könnten noch andere Wasserhexen auf dem Weg hierher sein.«
»Beruhige dich, Junge«, meinte der Spook, »gleich bist du frei …«
Damit schnitt er mit der Klinge an seinem Stab meine Fesseln entzwei. Während ich aufstand und mir die Handgelenke rieb, um den Blutkreislauf anzuregen, deutete mein Meister auf das Messer eines der Angreifer, das noch auf dem Kai lag.
»Geh sie befreien, ich halte so lange Wache«, befahl er.
Wir gingen auf das Boot, und der Spook blieb entschlossen mit gezücktem Stab neben mir stehen, während ich die Luke öffnete. Von unten sah mir Alice entgegen. Sie war gefesselt und geknebelt – sie hatten sie neben der Leiche des Fährmanns liegen lassen.
»Der Teufel war hier«, erklärte ich meinem Meister. »Er hat die Gestalt von Mr Gilbert angenommen.«
»Nun, im Augenblick können wir nichts für den armen Mann tun«, erwiderte der Spook und schüttelte traurig den Kopf. »Wir müssen es anderen überlassen, ihn zu finden und zu begraben. Mach das Mädchen los, wir müssen hier so schnell wie möglich verschwinden. Die Hexe ist nicht schwer verletzt. Sie bereitet bestimmt gerade einen neuen Angriff vor.«
Ich spürte, wie Alice zitterte, als ich die Fesseln durchschnitt und ihr aus dem Frachtraum half. Sie sagte kein Wort und ihre Augen waren angstgeweitet. Offenbar hatte die Gegenwart des Teufels sie noch mehr erschreckt als mich.
Sobald wir alle drei auf dem Kai standen, deutete der Spook nach Norden und führte uns so schnell aus dem Lagerhaus, dass ich Mühe hatte, mit ihm mitzuhalten.
»Gehen wir nicht nach Chipenden zurück?«, wollte ich wissen.
»Nein, Junge. Wenn uns Morwena verfolgt, bleibt uns dazu nicht genug Zeit. Wir gehen erst in das Haus des armen Bill Arkwright. Es ist die nächste Zuflucht. Aber je eher wir von diesem Kanal fortkommen, desto besser«, fügte er mit einem misstrauischen Blick auf das Wasser hinzu.
»Ich kenne einen schnelleren Weg zur Mühle«, bot Alice an. »Ich habe mit Knochenlizzie hier in der Nähe gewohnt. Wir müssen über den Kanal und dann gerade nach Westen gehen.«
»Dann geh voraus, Mädchen«, befahl der Spook.
Also überquerten wir die erste Brücke, verließen dann den Leinpfad und eilten durch die dunklen gepflasterten Straßen nach Norden. Caster mit seinem Schloss und den Verliesen war kein Aufenthaltsort für Leute unseres Gewerbes, doch glücklicherweise waren nur wenige Menschen unterwegs, die uns hätten sehen können. Endlich ließen wir mit einem Gefühl der Erleichterung die Stadt hinter uns und
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