Die Feinde des Imperators
Mitglied deines Bekanntenkreises gewesen sein könnte,
dachte ich, dass du mir vielleicht einiges über ihn
erzählen kannst.«
»Ein Mord? Und
ich kannte das Opfer?« Sie war ehrlich schockiert.
»Vielleicht. Bei
dem Opfer handelt es sich um Demades, einen der Astronomen, die
zusammen mit Sosigenes an dem neuen Kalender gearbeitet haben.
Asklepiodes berichtete mir, ihn gelegentlich auf den Versammlungen
der griechischen Philosophengemeinde gesehen zu haben, und da kam
mir sofort dein Gesprächskreis in den Sinn.«
»Armer Demades!
Ja, ich kannte ihn, wenn auch nicht besonders gut, wie ich gestehen
muss. Für einen Philosophen war er nicht gerade
gesprächig.«
»Asklepiodes hat
auch schon bekundet, wie wortkarg er war.«
»Und er hat sich
für kaum etwas anderes interessiert als für die
Astronomie.«
»Auch das hat
Asklepiodes mir erzählt.«
»Natürlich
kommt die Astronomie auch bei meinen Zusammenkünften
gelegentlich zur Sprache, aber meistens geht es in unseren
Diskussionen um andere Themen. An diesen Unterhaltungen hat er sich
kaum beteiligt.«
»Kannst du mir
sagen, wann du ihn zum letzten Mal gesehen hast?«
»Lass mich
überlegen - am Abend des letzten Tages des Jahres, das gerade
zu Ende gegangen ist. An diesem Abend hatte er mehr zu sagen, weil
der neue Kalender kurz davor war, in Kraft zu treten. Bei der
Zusammenkunft waren etliche der Astronomen
anwesend.«
»Erinnerst du
dich, welche?«
»Sosigenes
natürlich. Einige von ihnen waren zu meiner Überraschung
Ausländer. Da war ein Pseudo-Babylonier, der die Verdienste
der Astrologie anpries, ein Araber, der eine Menge über mir
unbekannte Sterne wusste, und ein faszinierender Mann aus Indien,
der einen langen Vortrag über die Seelenwanderung gehalten
hat. Vor allem Marcus Brutus war davon sehr angetan, weil er sich
mit der Philosophie des Pythagoras befasst hat, in dessen Theorien
derartige Metamorphosen ebenfalls vorkommen.«
»Brutus war da?
Als ich Vorjahren zum ersten Mal bei dir war, war er ebenfalls dein
Gast.«
»Oh, ja. Seitdem
er wieder in Rom ist, hat er an fast jeder Zusammenkunft
teilgenommen.«
Brutus war einer jener
zahlreichen Feinde Caesars, die unerklärlicherweise aus dem
Exil zurückgerufen worden waren. Caesar tat dessen
Fehlverhalten als jugendliche Unvernunft ab. Er war Brutus schon
immer mit großer Zuneigung begegnet, wohingegen ich ihn
lediglich als einen ziemlich langweiligen Befehlsempfänger
betrachtete. Vielleicht war Caesars Zuneigung zu Brutus in seiner
alten Liaison mit Servilia begründet, Brutus' Mutter. Es
kursierten sogar Gerüchte, dass Caesar Brutus gezeugt hatte,
aber ich hatte diesen Gerüchten nie Glauben geschenkt. Wie
auch immer, jedenfalls hatte Brutus philosophische Ambitionen und
war auf derartigen Versammlungen oft
anzutreffen.
»Welche weiteren
Römer waren an jenem Abend da?«, fragte ich. »Es
könnte hilfreich sein, zu wissen, mit wem Demades in den
letzten Tagen seines Lebens Umgang hatte.«
»Du meinst, das
könnte relevant sein?«
»Man kann nie
wissen. Manchmal geschieht ein Mord zufällig, zum Beispiel,
wenn ein Verbrecher sein Opfer erdolcht, um einfacher an dessen
Geldbeutel heranzukommen. Dann gibt es Fälle, in denen es sich
um einen Auftragsmord handelt und sich ein professioneller
Mörder der Sache annimmt. In diesen beiden Fällen
wäre meine Frage nicht von Bedeutung. Doch wie mich meine
Erfahrung gelehrt hat, ist der Mörder in den meisten
Fällen auf irgendeine Weise mit dem Opfer bekannt; häufig
handelt es sich um einen Ehepartner oder einen nahen Verwandten.
Jemand muss schon eine sehr intensive emotionale Bindung zu einer
Person haben, um von einem etwaigen Betrug derart betroffen zu
sein, dass er bereit ist zu töten. Dann gibt es noch Morde,
die ihre Ursache in einem schlecht gelaufenen Geschäft haben
oder die aus Ungeduld begangen werden, wenn jemand nicht auf sein
Erbe warten kann. In all diesen Fällen existiert eine enge
Verbindung zwischen dem Mörder und dem Opfer. Meine
Vorgehensweise besteht daher darin, herauszufinden, welcher Art
diese Verbindung gewesen sein mag.«
Callistas Augen
strahlten. »Wie faszinierend! Ich habe dir ja schon
öfter nahegelegt, deine Theorien zur Aufklärung von
Verbrechen strukturiert auszugestalten und niederzuschreiben. Du
könntest sogar deine eigene philosophische Schule
begründen.«
»Theorien zur
Aufklärung von Verbrechen?«, hakte ich nach. »Ein
schönes Gebiet. Aber ich fürchte, dass niemandes
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