Die Feinde des Imperators
weitaus lauschigere Teiche. Derjenige, den
ich im Sinn habe, ist perfekt für eine vertrauliche
Unterhaltung geeignet.«
Sie führte uns an
einen Teich, in dem man eine Trireme hätte zu Wasser lassen
können; er war von einem regelrechten Wald aus Palmen,
Myrresträuchern und anderen exotischen Pflanzen umgeben.
Zwischen den Sträuchern huschten winzige schwarze Menschen
einer mir unbekannten Herkunft umher und schössen mit
Miniaturpfeilen auf Hasen. Im Wasser schwammen schöne nackte
Nymphen und sangen obskuren Flussgöttern irgendwelche Hymnen,
während auf der Insel ein gutaussehender Jugendlicher, der als
Orpheus ausstaffiert war, auf der Lyra spielte.
»Der Inbegriff
vertraulicher Lauschigkeit, das muss man wirklich sagen«,
erklärte ich. Sie lehnte sich auf den Kissen einer Art halber
Kline zurück, wie ich sie schon einmal in Alexandria gesehen
hatte; sie ähnelte einer Kline, auf der man zum Essen lag, war
aber nur für eine Person bestimmt. Hermes und ich nahmen auf
eher konventionellen Stühlen Platz. Sklaven mit Wedeln zum
Vertreiben von Fliegen sorgten dafür, dass wir nicht von
Insekten belästigt wurden.
Kleopatra war zu jener
Zeit etwa fünfundzwanzig und am Höhepunkt ihrer
Schönheit, die sich allerdings in Grenzen hielt. Mit den
großen Schönheiten Roms wie Fausta und Fulvia konnte sie
nicht mithalten, doch was ihr an Ebenmäßigkeit ihrer
Züge fehlte, machte sie durch jene Ausstrahlung wett, die
Menschen natürlicherweise eigen zu sein scheint, die in einer
besonderen Beziehung zu den Göttern stehen. In Ägypten
war sie eine Göttin, doch in einigen barbarischen Ländern
ist so etwas einfach nur ein Akt politischer Formalität, und
auch in solchen Ländern altern und sterben Könige und
Königinnen wie andere Sterbliche.
»Verehrte
Königin«, begann ich förmlich, »vor einigen
Tagen wurden Demades und Polasser tot aufgefunden. Beiden wurde das
Genick gebrochen, und zwar auf einzigartige Weise
…«
»Was war denn
daran einzigartig?«, fragte sie.
»Die Verletzung
weist so seltsame Merkmale auf, dass selbst der absolut fachkundige
Asklepiodes sich nicht erklären kann, wie sie den Opfern
zugefügt wurden - dabei dachte ich, er würde jede nur
erdenkliche Weise kennen, wie man einen Menschen umbringen
kann.«
»Wie
interessant«, entgegnete sie. »Es liegt mir zwar fern,
zynisch sein zu wollen, aber es ist doch erfreulich, zu wissen,
dass jemand etwas so Alltägliches wie Mord mit einer
originellen Note versehen hat.«
Ȁh, ja,
stimmt, das finde ich auch. Aber wie dem auch sei, Caesar ist
verständlicherweise erzürnt. Diese Wissenschaftler waren
auf seine Einladung in Rom und haben an einem Projekt gearbeitet,
das ihm viel bedeutet. Er nimmt die Sache
persönlich.«
»Tja, das
dürfte für irgend jemanden eine schlechte Nachricht sein.
Man sieht ja, was Leuten passiert, die sich mit meinem Ehemann
anlegen.«
»Genau. Ich
versuche jetzt, die Morde so schnell wie möglich
aufzuklären. Bisher haben wir zwei Opfer. Beide waren
Astronomen, aber von dieser Gemeinsamkeit abgesehen vertraten sie
äußerst gegensätzliche Positionen. Der eine war ein
griechischer Rationalist, der andere ein pseudoorientalischer
Mystiker. Aus welchem Grund auch immer hat Polasser sich als
Babylonier ausgegeben, wahrscheinlich weil leichtgläubige
Menschen Babylonier für die Meister in den Künsten der
Astrologie halten.«
»Das sind sie
auch«, erklärte sie.
»Wie
schätzt du Polasser in seiner Eigenschaft als Astrologe
ein?«, fragte ich sie. Die Frage war mir gar nicht groß
im Kopf umhergegangen, doch jetzt kam sie mir auf einmal in den
Sinn. Irgendetwas an diesem Mann war mir ziemlich merkwürdig
erschienen. Es lag nicht nur an der Tatsache, dass ich
Sterndeutungen sowieso für Lug und Trug hielt, oder an seinem
absurden fremdländischen Getue. Ich hatte in meinem Leben
schon so manchen rundum liebenswürdigen Betrüger
kennengelernt, einige waren sogar äußerst reizende
Menschen.
Sie dachte eine Weile
über meine Frage nach. »Lass es mich so sagen: Er war
ein kompetenter Astronom, sonst hätte er nicht mit Sosigenes
und den anderen zusammengearbeitet und wäre nicht für ein
so wichtiges Projekt wie den neuen Kalender engagiert worden. Was
Beobachtungen und Berechnungen angeht, war er genauso gut wie alle
anderen. Aber mit der Astrologie verhält es sich anders.
Berechnungen sind nur ein Teil dessen, worauf es ankommt. Ein
wirklich guter Astrologe muss Inspiration haben. Er
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