Die Feinde des Imperators
muss über
prophetische Gaben verfügen.«
»Und in welchem
Maße verfügte Polasser über diese Gaben?«,
fragte ich.
»Ich würde
ihn als einen Gesellschaftsastrologen bezeichnen. Seine Kunst
bestand darin, Horoskope für wohlhabende Leute zu erstellen
und sie so hinzubiegen, dass sie genau das verhießen, was
seine Kunden hören wollten.«
»Und trotzdem
schenkst du dieser Disziplin Glauben«, stellte ich
fest.
»Natürlich.
Der Erfolg eines einzelnen Scharlatans entwertet ja nicht die
gesamte Disziplin. Während meiner Jahre als Prinzessin, als
meine Zukunft immer ungewiss und unsicher war, habe ich viele
Astrologen konsultiert, Ägypter, Griechen und sogar ein paar
echte Babylonier. Einige waren wie Polasser nur daran interessiert,
sich bei mir oder, was häufiger vorkam, bei meinem Vater oder
meinem Bruder oder meinen Schwestern einzuschmeicheln, die alle
weitaus mächtiger waren als ich und bessere Zukunftsaussichten
hatten. Aber es gab auch andere, die ihre Berechnungen gewissenhaft
durchführten, nicht darauf aus waren, mir zu schmeicheln, und
mir Kummer, Tragik und einen frühen Tod vorhergesagt
haben.«
»Letzterer
Prophezeiung schenkst du doch gewiss keinen Glauben«, warf
ich ein.
»Oh, doch, das
tue ich sehr wohl. Damit muss ich doch rechnen. Immerhin habe ich
den Rest meiner Familie bereits überlebt. Es ist einer
Königin unwürdig, mehr Jahre unter den Lebenden zu begehren,
als die Götter für sie vorgesehen
haben.«
»Eine
bewundernswert philosophische Sicht der Dinge«, entgegnete
ich. »Aber zurück zu meinem eigentlichen Anliegen. Ich
habe gehört, dass du in diesem Haus gesellige
Zusammenkünfte veranstaltet hast, bei denen jede Menge der
bedeutenden Damen Roms zugegen gewesen sein
sollen.«
»Jede, die ich
herlocken konnte«, sagte sie.
»Und dass beide
Mordopfer ebenfalls bei einigen dieser Zusammenkünfte anwesend
waren.«
Sie runzelte leicht
die Stirn. »Mag sein. Ich muss gestehen, dass ich mich nicht
erinnere. Bei meinen Zusammenkünften finden sich oft mehr als
hundert Gäste ein, die auch noch ihre Bediensteten mitbringen;
es sind also ziemliche Massenveranstaltungen. Und da meine
Gäste sehr unterschiedliche Geschmäcker haben, biete ich
ihnen zur Unterhaltung die unterschiedlichsten Leute, von
Philosophen bis hin zu Schauspielern. Ich lasse Dichter,
Wagenlenker, Tänzer und sogar Munera-Kämpfer ihre
Künste vorführen. Normalerweise lade ich auch Sosigenes
und die anderen Astronomen ein, weil so viele meiner Gäste
sich für die Sterne interessieren.«
»Sie waren also
hier in deinem Haus, jedoch nicht der Anlass einer deiner
gesellschaftlichen Zusammenkünfte?«
»Wie meinst du
das?«
»Ich habe
gehört, dass auch die ehrwürdige Servilia hier gewesen
sein -« In diesem Augenblick surrte ein winziger Pfeil direkt
vor meinen Augen vorbei und berührte im Vorbeifliegen meine
Nasenspitze. Ich riss den Kopf herum und sah, wie mich einer der
schwarzen Zwerge mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Im
nächsten Moment verschwand er im
Gebüsch.
Kleopatra sprang von
ihrer Kline auf. »Du da! Komm sofort her!« Sie
schnappte sich eine Peitsche von einem der Sklaven, der offenbar
extra für den Fall, dass seine Herrin womöglich eine
Peitsche benötigte, in der Nähe stand. Sie stürmte,
mit der Peitsche herumfuchtelnd und Blätter aufwirbelnd,
hinter dem zwergenhaften Jäger her. Im Nu war sie außer
Sichtweite, doch wir hörten sie entschlossen die Verfolgung
aufnehmen und erstickte Wutschreie ausstoßen.
»Deine Nase
blutet«, sagte Hermes.
»Natürlich
blutet sie. Dieser kleine Mistzwerg hat sie mir um ein Haar mit
seinem Pfeil abgeschossen.« Ich tupfte die Wunde mit einer
Serviette ab und fand einen ziemlich großen Blutfleck vor.
Kurz darauf kam ein Arzt herbeigeeilt, gefolgt von Sklaven, die
seine Instrumente, Medikamente und Verbände trugen. Er
betupfte meine Nase mit einer brennenden Paste, woraufhin die
Blutung sofort aufhörte, doch ich hatte das Gefühl, als
ob mich eine Hornisse in die Nase gestochen hätte.
Kleopatra kam
schwitzend zurück; ihr Haar war zerzaust und mit Blättern
und Ranken durchsetzt. »Der kleine Mistkerl ist mir
entwischt. Sobald ich ihn in die Finger bekomme, werde ich ihn
kreuzigen lassen.«
»So ernst ist es
nun auch nicht«, sagte ich. »Mein Barbier schneidet
mich oft viel heftiger, und ich lasse ihn normalerweise nicht
einmal auspeitschen.«
»Er hätte
dich umbringen können! Wie hätte das wohl ausgesehen -
ein Senator in
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