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Die Feinde des Imperators

Die Feinde des Imperators

Titel: Die Feinde des Imperators Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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neuen
Forums, dessen Bau er plante. Es sollte eine Erweiterung unseres
antiken Forums werden. Er hatte vor, etliche an das Forum
angrenzende Grundstücke zu beschlagnahmen, ein mehrere Blocks
umfassendes Areal zu planieren und einen neuen, ambitionierten, von
mehrstöckigen Terrassen umgebenen Platz mit einer weiten,
offenen Fläche zu errichten, der sowohl für
Geschäfts- als auch für Regierungszwecke, religiöse
Ereignisse und sogar für Unterhaltungsveranstaltungen genutzt
werden sollte. Im Gegensatz zu unserem beengten,
ungleichmäßigen, mit Monumenten übersäten
alten Forum sollte es ein weitläufiger, systematisch und
rational angelegter Platz werden.
    Ich hatte den
Verdacht, dass sein Forumprojekt genauso unbeliebt sein würde
wie sein neuer Kalender, der sich ja ebenfalls durch seine
unbestreitbare Rationalität auszeichnete. Wir Römer
mögen es, wenn einiges in unserem Leben chaotisch und ungeregelt ist. Als
Volk waren wir sowohl in Kriegen als auch in
Regierungsangelegenheiten immer kämpferisch und diszipliniert,
und auch, was unsere Religion angeht, zeigten wir uns stets absolut
folgsam. Deshalb gefällt es uns, einige Dinge in ihrem
natürlichen, ungeregelten Zustand zu belassen, erst recht,
wenn wir uns an sie gewöhnt haben.
    Auf der Insel fragte
ich nach dem Hohepriester, woraufhin dieser mit seiner
üblichen zur Schau gestellten Ungeduld erschien. »Ja,
Senator?«
    »Ich will deine
Zeit nicht lange beanspruchen. Beschäftigst du hier einen
Schreiber namens Postumius?«
    Er sah mich verwirrt
an. »Wir hatten einen Postumius beschäftigt, aber ich
habe ihn seit einigen Tagen nicht gesehen. Ich dachte, er
hätte sich woanders eine Arbeit gesucht, die ihm mehr behagt.
Ist es wichtig?«
    »Ich denke ja.
Wo hat er denn gearbeitet?«
    »In der
Buchhaltung, wo wir die Schenkungen verzeichnen, die dem Tempel
gemacht werden. Der Leiter der Buchhaltung ist
Telemachus.«
    »Dann werde ich
dich nicht weiter behelligen. Wo kann ich Telemachus
finden?«
    Die Buchhaltung erwies
sich als riesiger nackter Raum am Nordende der Insel. Er war
vollgestopft mit Widmungen und Schenkungen jeder nur erdenklichen
Art, angefangen bei ausgezeichneten Skulpturen bis hin zu guten,
altmodischen Säcken voller Geld. Etliche Angestellte
arbeiteten dort unter dem wachsamen Auge eines alten Mannes, der
sein ganzes Leben im Tempel verbracht hatte, zuerst als Sklave und
jetzt als Freigelassener.
    »Postumius?«,
entgegnete er auf meine Frage. »Selbstverständlich kenne
ich ihn, Senator. Er ist Anfang vergangenen Jahres hier aufgetaucht und hat
Arbeit gesucht. Du erinnerst dich sicher, dass Rom nach der
großen Überschwemmung, von der die Stadt während
deiner Amtszeit als Aedil heimgesucht wurde, unter einer
furchtbaren Krankheitsepidemie gelitten hat. Wir haben damals
einige unserer Angestellten verloren, und deren Nachfolger haben
nicht alle zu unserer Zufriedenheit gearbeitet. Dieser Mann bewies
ein sehr gutes Zahlenverständnis, also habe ich ihn
eingestellt.«
    »Und? Arbeitete
er zu deiner Zufriedenheit?«
    »Er hätte
es können, wenn er sich denn seiner eigentlichen Arbeit
gewidmet hätte. Doch wie sich herausstellte, interessierte er
sich deutlich mehr für Wagenrennen als für
Buchhaltung.«
    Während er
sprach, wandelten wir in dem großen, dämmerigen Raum
umher. Neben den üblichen Statuen sah ich Teile veralteter
Rüstungen, landwirtschaftliche Geräte, Steine, in die
archaische Schriftzeichen gemeißelt waren,
Schriftstücke, einige Wagen, eine Sonnenuhr, Säcke mit
wohlriechenden Substanzen, längst eingegangene Topfpflanzen,
ja sogar, wie es schien, die Rahe und das Segel eines Schiffes. Der
Raum sah aus wie der Hof eines Versteigerers nach der
Auflösung eines sehr alten Anwesens.
    »Der Fluch aller
Tempel«, erklärte Telemachus. »Schenkungen in Form
von Geld sind eine Sache, aber mit Überlassungen verhält
es sich anders. Die Leute glauben, sie würden den Göttern
Ehre erweisen, indem sie dem Tempel derartige Dinge
überlassen, doch manchmal frage ich mich, ob die Götter
dieses Zeug wirklich alles zu schätzen wissen. Wenn
irgendetwas einem Gott gewidmet wurde, kann es nicht mehr verkauft
oder weggeworfen werden. Also sammelt sich dieser Kram hier bei uns
an und müllt die Tempelanlagen zu. Der Tempel des Apollo in
Delphi war vor einigen Jahren so vollgestopft mit
Rüstungsgegenständen, die die Griechen dem Tempel im
Laufe mehrerer siegreicher Jahrhunderte überlassen hatten,
dass sie auf die Idee kamen,

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