Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
Vom Netzwerk:
zu beschäftigen, denn allmählich
     begann sie sich zu fragen, wo zum Teufel ihr Großvater so lange blieb. Er war schon fast eine Stunde weg.
    April dachte sich ein Akrostichon aus, eine Art Eselsbrücke, die ihr die Lehrerin in der fünften Klasse einmal beigebracht
     hatte und mit der April sich nun die Haltestellen in Kalifornien besser einprägen wollte: Tantes Chef rasiert sich dauernd
     mit … bei E fiel ihr nichts ein. Schon wieder dieses verfluchte Emeryville. Aber egal, Emeryville würde sie bestimmt nicht
     mehr vergessen. Wenn sie allerdings erst von da abgehauen waren, würde sie mit Sicherheit alles nur Erdenkliche tun, um es
     zu vergessen, und zwar total.
    Eiweiß! Tantes Chef rasiert sich dauernd mit Eiweiß. Truckee, Colfax, Roseville, Sacramento, Davis, Martinez, Emeryville.
     Emeryville enttäuschte sie immer noch. Wenn man schon durch das ganze Land fuhr, wollte man doch wenigstens in einer Stadt
     ankommen und nicht in irgendeiner
ville
.
    Eine halbe Stunde später hatten die Jungen aufgehört, um das Gepäck herumzutoben, stattdessen hingen sie jetzt quengelnd und
     weinend an ihrer Mutter.
    Die ganze Unruhe war regelrecht ansteckend. April merkte, wie sie langsam Panik bekam, Wo steckte der Alte?
    Erneut studierte sie den Fahrplan. Sie überlegte, ob sie sich auch noch die Haltestellten in der Gegenrichtung einprägen sollte,
     aber das waren zu viele: 23 zwischen Salt Lake City und dem Ende der Strecke in Chicago. Warum endete der Zug in Chicago?
     Hätte er nicht weiterfahren sollen bis nach New York? Bestimmt wäre es cool, mit der Eisenbahn quer durchs ganze Land zu fahren.
     Noch cooler wäre es, wenn durch irgendeinen verrückten Zufall Keith Spinelli im selben Zug säße. Was konnte sie dann noch
     davon abhalten, den ganzen Tag zusammen zu sein. Und die ganze Nacht? April erinnerte sich vage an irgendeinen Film über einen
     Mann, der sich ein Zugabteil mit einer Frau teilte, aber die Frau wusste gar nicht, dass es ein Mann war, weil er Frauenklamotten
     anhatte. Es war ein blöder Film, aber ihre Mutter hatte sich ausgeschüttet vor Lachen.
    Normalerweise erschauderte April beim bloßen Gedanken an die Lache ihrer Mutter. Aber jetzt musste sie lächeln.
    Sie stand auf. Die erschöpfte Mutter schaute sie überrascht an. April fing an, auf und ab zu gehen. Jetzt waren es schon zwei
     Stunden. Hier konnte etwas nicht stimmen. Da stimmte was nicht. Und zwar ganz und gar nicht.
    In Gedanken ging sie noch einmal durch, was passiert war. IhrGroßvater hatte gesagt, er müsse das Auto verkaufen. Aber warum? Der Wagen fuhr doch prima. Sie musste es wissen, schließlich
     hatte sie die ganze Zeit am Steuer gesessen. Und bisher hatte ihr Großvater nicht die geringste Andeutung gemacht, dass etwas
     kaputt war – bis zu dem Zeitpunkt, als er mit ihrer Mutter gesprochen hatte. Genau! Verflucht, bestimmt hatte ihre Mutter
     etwas gesagt. Vielleicht hatte sie damit gedroht, die Bullen zu verständigen.
    April hätte sich am liebsten in den Hintern gebissen dafür, dass sie so dämlich war. Grandpa wurde die Kiste los, damit die
     Bullen sie beide nicht finden konnten. Aber warum dauerte das so lange? Versuchte er wirklich, den Wagen zu verkaufen. An
     wen? Vor ihrem geistigen Auge tauchte ein hünenhafter, muskelbepackter, tätowierter Rocker auf.
    »Geht es dir gut?«
    April war unwillkürlich in die Nähe der Mutter gewandert. Die Kleinen waren inzwischen eingeschlafen. Einer döste zu ihren
     Füßen, der andere lag ausgestreckt auf ihrem Schoß wie bei dieser Statue von Christus und seiner Mutter.
    »Alles bestens«, sagte April. »Danke.«
    »Wartest du auf jemanden?«, fragte die Mutter. Sie schien begierig auf genau das zu sein, wozu April gerade überhaupt keine
     Lust hatte: ein Schwätzchen. »Auf deinen Freund?«
    April sah sie an. »Freund? Nein.«
    Die Mutter nickte. »Bist du ausgerissen?«
    Irgendwie werden Frauen unglaublich neugierig, sobald die Kinder haben, dachte April.
    »Hab ich auch gemacht, als ich in deinem Alter war«, fügte die Mutter hinzu, als April nicht antwortete. »Jedenfalls das erste
     Mal. Danach beschlossen wir, nach L.A. abzuhauen und berühmte Filmstars zu werden, aber da war ich schon ein bisschen älter.«
    April besah sich die Mutter genauer. Redete sie etwa gerade mit einer, die sie vielleicht schon mal auf der Leinwand gesehen
     hatte? Das wäre ja vielleicht cool. Aber das Gesicht sagte ihr nichts, allerdings bemerkte April jetzt, dass die Frau

Weitere Kostenlose Bücher