Die fernen Tage der Liebe
schon.«
April drehte sich um und marschierte wieder auf den Automaten zu. Aber dann blieb sie so abrupt stehen, als sei jemand ihr
in den Weg getreten und lasse sie nicht durch.
Ihre Mutter würde das nicht hinnehmen. Nie und nimmer würde ihre Mutter zulassen, dass jemand sie so behandelte.
April drehte sich wieder um und marschierte zurück zum Schalter.
»Ich verlange nicht, dass Sie mir Geld
schenken
«, sagte sie. »Ich bitte Sie nur, mir einen Dollar in vier Quarter zu wechseln. Ich brauche Kleingeld, und zwar schnell, weil
jemand auf mich wartet, der meine Hilfe braucht. Ich wäre Ihnen also dankbar, wenn Sie mir jetzt wechseln würden. Wenn nicht,
wenn Sie mich dazu zwingen, diesen Bahnhof zu verlassen, um mir irgendwo anders Wechselgeld zu besorgen, dann sorge ich dafür,
dass mein Vater, der Anwalt ist, Sie feuern lässt, weil Sie nur Kreuzworträtsel lösen, anstatt Ihre Arbeit zu machen.«
April klatschte den Dollarschein auf die Theke.
Der Schalterbeamte lehnte sich in seinem Stuhl zurück und nahm seine Brille ab.
»Du bist mir ja vielleicht ein Früchtchen.«
April vergaß nicht, sich zu bedanken, als der Mann ihr vier Vierteldollarmünzen über die Theke schob. Nachdem sie das Gepäck
verstaut hatte, kehrte sie noch einmal zum Schalter zurück.
»Entschuldigen Sie, Sir. Wie kommt man von hier zum Greyhound-Busbahnhof?«
Ein erneuter Blick über die Lesebrille. »Weißt du das etwa nicht?«
»Nein, Sir.«
Würde ich sonst fragen?
Der Mann legte seinen Ellbogen auf die Theke und deutete mit seinem Bleistift zum Ausgang des Bahnhofs. »Siehst du die Türen
da? Da gehst du raus und dann nach links. Dann immer geradeaus. Irgendwann macht die Straße eine kleine Kurve. Da ist West
Third Street. Dort gehst du nicht mehr weiter geradeaus, sondern hältst dich rechts. Dann läufst du direkt drauf zu.«
»Wie lange braucht man dafür?«
Der Mann sah auf seine Uhr. »Tja, mal sehen. Wenn du jetztsofort aufbrichst und die ganze Strecke zu Fuß gehst, würde ich sagen, es dauert … hm … zwei Minuten oder so.« Er grinste.
April suchte den Blick des Mannes. »Versprechen Sie mir, dass das auch stimmt?«, fragte sie mit zittriger Stimme. »Ich meine,
mir ist klar, dass Sie mich nicht leiden können, aber derjenige, den ich zu finden versuche, braucht ganz wirklich unbedingt
meine Hilfe. Es ist mein Großvater. Er ist wie Sie … na ja, wahrscheinlich noch älter. Ein bisschen. Aber er ist manchmal
etwas verwirrt, und ich glaube, er könnte vielleicht am Busbahnhof sein. Als wir hier ankamen, hat er nämlich immer wieder
Leute gefragt, wo die Greyhound-Zentrale ist, deshalb muss ich jetzt da hin, und wenn Sie versuchen, mir aus Rache eins auszuwischen
oder so …«
Der Mann hielt die Hand hoch, um sie zu unterbrechen.
»Pfadfinder-Ehrenwort«, sagte er. Er deutete auf die Tür. »Jetzt marsch und hol deinen Grandpa.«
April rannte los.
28
Als sie an der Kasse von Dominick`s Fine Foods stand, fragte sich Marcy, wie die Männer von heute überhaupt sich am Leben
hielten. Nach dem zu urteilen, was sie in diesem sogenannten »Residence Hotel« zu Gesicht bekommen hatte, ernährte sich Mike
im Wesentlichen von Junkfood, Plätzchen und natürlich Jack Daniels. All ihres Gefasels und Gehabes und ihrer herablassenden
Selbstsicherheit zum Trotz gingen Männer eigentlich doch ziemlich schnell in die Knie.
Hank zum Beispiel. Der große, knallharte Top-Verkäufer Hank. Musste unbedingt den Beschützer spielen. Aber kaum kam man ihm
mit einer kurzen Trennung, machte er sich ins Hemd. Marcy starrte den Hinterkopf der Frau vor ihr an. Oder etwa nicht? Marcy
hatte ganz bewusst jeden Gedanken an Hank weggeschoben und sich bemüht, sich nur auf April zu konzentrieren. Trotzdem versuchte
er unentwegt, sich mit Gewalt in ihre Gedanken zu drängen: mit seinen breiten Schultern, seinem Lächeln und dieser bescheuerten
Art, ihr so aufmerksam zuzuhören.
Oder Nick. Der hatte sein Leben
immer
noch nicht im Griff. Und dabei waren es seit Marilyns Tod jetzt schon drei Jahre. Meine Güte.
Oder ihr Vater. Ja, der war wirklich ein Paradebeispiel. Nur wegen ihm hatte Marcy wahrscheinlich mehr Zeit in Lebensmittelgeschäften
verbracht als jede andere Frau in ihrem Alter.Weil ihr Vater nach dem Tod ihrer Mutter nur noch gesoffen und nichts unternommen hatte, um die Familie zusammenzuhalten.
Und das galt auch für die Lebensmitteleinkäufe. Ihre Brüder fanden nichts dabei, nur
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