Die fernen Tage der Liebe
einem Haufen knackiger Jungs nur ihre Mutter gab.
April klappte den Laptop auf und gab das Passwort für ihren Ordner von Listen ein, den sie in ihrem Algebra-Verzeichnis abgespeichert
hatte – nur für den Fall, dass jemand uneingeladen herumschnüffelte, zum Beispiel ihre Mutter, die mit Mathe nichts am Hut
hatte. Früher hatte April noch geglaubt, es gäbe so etwas wie Privatsphäre, bestimmte Regeln, die man einfach nicht übertrat.
Aber als sie dann eines Tages nach Hause gekommen war, hatte ihre Mutter schon im Familienzimmer auf sie gewartet, in der
einen Hand einen Joint und in der anderen die Socke, in der sie ihn gefunden hatte. Wie konnte man nur so bescheuert sein?
Nicht nur in der Sockenschublade herumzuwühlen, sondern auch noch jedes einzelne Paar zu untersuchen! Bescheuert und gruselig.
April fing an, ihre Listen durchzugehen. In ZK (Sachen, die ich zum Kotzen finde) standen solche Sachen wie Krämpfe, Pickel
und der Umstand, dass alle Jungs logen wie gedruckt und die Mädchen ihnen trotzdem nachrannten. Alle diese Einträge hatten
davor einmal in der Liste EU (Eindeutig unfair) gestanden, in der gegenwärtig vermerkt war, dass Jungs an jedem beliebigen
Ort einfach pinkeln konnten, wenn sie mussten, dass es fürs Autofahren eine Altersbeschränkung gab, dass man für beschissenes
Gras auch noch gutes Geld hinblättern musste und dass die Sperrstunde so lächerlich früh war. Weiterhin unterhielt April die
Listen OO (Offensichtlich orgiastisch), in der ihre Lieblingsmusiker, Songs und Fernsehprogramme standen, sowie AIL (Anzeichen
intelligenten Lebens), gegenwärtig leer.
Die Datei, die sie am häufigsten in Gebrauch hatte und auch jetzt anklickte, war ST (Scheißtypen). Es war an der Zeit, die
Rangfolge zu ändern. Heather Rosen musste auf die Liste.
Den ganzen Nachmittag über hatte Heather ihr eine SMS nach der anderen geschickt und gebettelt, April solle anrufen. Dabei
war es so was von offensichtlich, dass Heather nur mit ihr reden wollte, um ihr irgendwelche Lügen aufzutischen über die Party
gestern Abend und die wahrscheinlich höchstens sieben Sekunden, die sie im erweiterten Dunstkreis von Keith Spinelli zugebracht
hatte. Das Gesimse hatte angefangen, als April gerade bei ihrem Großvater die Zeitungen zusammengebunden hatte. »Ruf an.«
/ »KS ist Wahnsinn.« / »Wo bist du?« / »Das glaubst du nicht!« Dabei waren Heathers Nachrichten der reine Scheiß, denn April
war sich sicher, dass Keith mit einer Heather Rosen nicht das Geringste zu schaffen haben wollte und sich
an
ihr zu schaffen machen erst recht nicht. Im Leben nicht!
Also musste April jetzt ein paar Entscheidungen treffen. Erstens, wo genau sie Heather auf ST einordnen sollte. Auf jedenFall unter den ersten fünf, wenn man bedachte, dass Heather, auch wenn April das nie wirklich erwähnt hatte, trotzdem doch
genau wusste, einfach wissen
musste
, dass April Keith Spinelli irgendwie süß fand. Das allein reichte ja schon für den ersten Rang. Aber Heather ganz nach oben
zu setzen war keine ganz leichte Entscheidung – insbesondere, da die Titelverteidigerin, Aprils Mutter, jetzt schon seit sechzehn
Wochen ununterbrochen die Nummer eins war.
April klickte zweimal auf das Word-Symbol und erstellte ein neues Dokument mit zwei Spalten. Über die linke Spalte schrieb
sie den Namen ihrer Mutter, über die rechte den von Heather. Irgendwann einmal, schon so lange her, dass sie gar nicht mehr
wusste, worum es gegangen war, hatte April irgendeine Entscheidung treffen müssen. Ihr Vater hatte ihr damals geraten, eine
Pro- und Kontra-Liste zu machen, und die Spalte mit den meisten Einträgen würde gewinnen. Allerdings hatte April bald festgestellt,
dass manchmal ein einziger Eintrag in einer Spalte gegenüber sämtlichen in der anderen überwiegen konnte. Dennoch fühlte sie
sich jetzt in der Pflicht, jede Maßnahme, die sie bei so etwas Wichtigem wie der ST-Rangfolge ergriff, gut zu untermauern.
Also schrieb sie unter den Namen ihrer Mutter:
Nervt mich bis zum Umfallen. Ständig.
Findet meine Klamotten nuttig. Manchmal.
Lässt mich nicht Autofahren üben. Nie.
Ruft andere Mütter an, wenn ich woanders übernachte. Immer. Und immer peinlich.
Trägt Sachen, die ihren fetten Hintern betonen. Oft.
Fängt plötzlich an zu heulen, will aber nicht sagen, wieso. Nie.
Tut so, als würde ich sofort schwanger, wenn ich mit einem Jungen auch nur rede. Erst einmal.
Findet, dass
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