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Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
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mit dem sie
     ihrer Mutter auf jeden Fall widersprach. Obwohl es diesmal sogar die Wahrheit war. Sie ging ja wirklich nicht mehr weg, aber
     sie hatte nicht gewollt, dass ihre Mutter das wusste. Sie hatte sogar schon überlegt, noch Megan oder Erica anzurufen, aber
     die hätten vermutlich beide sofort gefragt, wo Heather war, und auf Versöhnung hatte April keine Lust. Und deshalb war das,
     was sie gerade ihrer Mom gesagt hatte, traurigerweise die Wahrheit. Jetzt konnte sie nur noch hoffen, dass ihre Mutter allein
     Lebensmittel besorgen oder einkaufen ging, damit sie ein bisschen Zeit für sich selbst hatte. Vielleicht würde sie volle Kanne
     DC aufdrehen und ein bisschen Leben in die Bude bringen.
    »Warum ziehst du dich dann um?«
    »Weil die Sachen, die ich bei Grandpa anhatte, eklig sind«, schrie April zurück.
Ganz schön auf Draht, Rox, findest du nicht?
»Ich kann immer noch seinen Pfeifenqualm riechen.«
    »Bäh, das kann ich gut verstehen«, antwortete ihre Mutter. »Keine Ahnung, warum er damit wieder angefangen hat. Vollkommen
     hirnrissig.«
    Der plötzlich freundliche Ton löste bei April alle Alarmglocken aus.
    »Hast du Lust, im Diner zu Abend zu essen?«
    Na also: eine unentrinnbare Falle. Samstagabend, und sie würde mit ihrer Mutter im Schlepptau in einer Nische im Diner festsitzen.
     Warum nicht noch ein Schild drüberhängen? »Niete ohne Freunde beim Abendessen mit Mutti. Lästern erlaubt.«
    »Nein danke«, rief April. »Ich wollte eigentlich so früh wie möglich mit meinem Englisch-Referat anfangen.«
    April hielt den Atem an. Was kam jetzt? Das ungläubige
Am Samstagabend?
Das gebieterische
Dafür hast du später noch genug Zeit?
Oder das schmollende, sarkastische, schuldzuweisende
Ich hatte zwar wirklich einen harten Tag und wollte mal raus, aber ich schätze, dann koche ich wohl besser mal was, ich will
     dir ja keine Unannehmlichkeiten bereiten.
    »In Ordnung. Dann mache ich uns mal was zum Abendessen.« April hörte ihre Mutter abziehen. »Und schließ die Tür auf.«
    April durchforstete ihren Kleiderschrank nach Sachen zum Umziehen. Sie beglückwünschte sich, dass ihr sofort die Pfeife ihres
     Großvaters eingefallen war. Dann musste sie wieder an das Bild von ihrer Großmutter denken. Ihre Mutter sprach nur selten
     über sie, und wenn doch, waren es meistens nur Sätze wie: »Nach ihrem Tod war es einfach nicht mehr dasselbe. Deine Großmutter
     hat alles zusammengehalten. Sie wusste, wie man mit deinem Großvater umgehen musste … und mit deinen Onkeln.«
    Ihre Onkel als Kinder konnte April sich kaum vorstellen. Esgelang ihr einfach nicht, sie anders zu sehen als alt und langweilig, Leute, die jedem Ärger aus dem Weg gingen. Dabei kannte
     sie die beiden gar nicht besonders. Ihren Onkel Nick traf sie noch gelegentlich. Onkel Mike und seine Familie nie. Ihren Vetter
     und die Kusine hatte sie nur ein einziges Mal gesehen, da war sie ungefähr sechs gewesen. Schon öfter hatte sie sich ausgemalt,
     wie es wohl wäre, wenn sie Clare irgendwann träfe, ohne zu wissen, dass es ihre Kusine war, und sie einander einfach cool
     fänden. April hoffte, dass es dann tatsächlich so wäre, aber bei den ganzen schrägen Typen in ihrer Familie war das ziemlich
     unwahrscheinlich.
    Wenigstens ihr Großvater besaß ein gewisses Potential. April hatte es gefallen, wie er ihrer Mutter Kontra gab, da traute
     er sich mehr als die meisten anderen. Und besonders hatte ihr gefallen, dass er kurz davor gewesen war, ihr die Schlüssel
     zu seinem Wagen zuzuwerfen, bis ihre Mutter ihrer Rolle als perfekte Spielverderberin alle Ehre erwiesen hatte.
    Alter Knacker … haust wie ein Schwein… drei Kinder, aber keines kommt ihn besonders oft besuchen. April schloss die Schranktür,
     eilte zu ihrem Schreibtisch und zog das Notizbuch aus ihrer Hosentasche. Sie war jetzt froh, dass sie es immer bei sich hatte,
     besonders wenn sich unvermittelt ein so kostbarer Moment wie dieser einstellte, wenn ihr die Wörter nur so in den Kopf fluteten,
     und alle ungeduldig, alle wollten niedergeschrieben werden.
    What’re you thinkin’ about, Mr. Ear Hair
    Sittin’ alone in your newspaper chair
    Watchin’ tube, collectin’ dust
    While all your joints, all those memories
    Turn to rust
    Irgendwie musste sie auch noch die Alu-Verpackungen im Text unterkriegen. Daraus ließ sich doch bestimmt ein Song machen.
     Vielleicht so einer, den Roxie singen konnte. Oder sogar einer, den sie, April Shea, singen konnte …

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