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Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
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glauben die meisten Leute dann normalerweise nicht, das Gaspedal sei die Lösung.«
    Er zwinkerte.
    April wollte lachen. Sie versuchte auch zu lachen. Sie dachte sogar, sie würde lachen. Aber in Wahrheit weinte sie und verbarg
     den Kopf in den Händen, sank in sich zusammen und wartete darauf, dass ihr Großvater sie in die Arme nahm. Er schien jedoch
     einfach nur dazusitzen, weshalb sie umso heftiger weinen musste. Dann, endlich, fühlte sie seine Hände auf ihrer Schulter,
     sie wurde nach vorn gezogen, jemand murmelte ihr etwas ins Ohr, und schließlich spürte und roch sie auch den Atem, aber es
     roch gar nicht nach Qualm oder Tabak, sondern irgendwie eher nach Knoblauch …
    Ihre Mutter.
    Es dauerte eine Weile, bis April aufhören konnte zu weinen, doch wahrscheinlich wäre es schneller gegangen, wenn tatsächlich
     ihr Großvater sie in den Armen gehalten und ihr übers Haar gestreichelt hätte. Als sie sich endlich beruhigte und aufblickte,
     sah sie, dass ihre Mutter vor ihr kauerte und sie mit einem dieser bedeutsamen »Ich schaue dir direkt in die Augen, damit
     du siehst, wie ich mich sorge«-Blicke bedachte, über den sie vermutlich in der Zeitschrift
Eltern
gelesen hatte.
    »Also. Jetzt erzähl mal, was passiert ist.«
    »April hat sehr fleißig an diesem Schulaufsatz gearbeitet, den sie schreiben muss«, antwortete ihr Großvater. »Da habe ich
     mir gedacht, sie hat einen Kakao verdient. Die Sorte, die ich …«
    »Ich frage meine Tochter«, schnitt ihre Mutter ihm das Wort ab, ohne den Blick von April abzuwenden. Diese Fragetechnik musste
     ebenfalls in dem Artikel gestanden haben – vielleicht als Tipp auf der Seitenleiste: Beim Verhör des halbwüchsigen Delinquenten
     nie den Blickkontakt unterbrechen.
    »Du hast doch gefragt, was passiert ist«, fuhr ihr Großvater fort. »Also, das ist passiert. Wir waren gerade auf dem Weg zu
Friendly’s
, da sind wir auf einen Placken Eis geraten. Habeneinem armen Kerl den Briefkasten umgefahren. Unfall. Mehr war nicht.«
    Ihre Mutter fixierte zwar immer noch April, fragte aber mit dieser Art leiser Stimme, von der April wusste, dass sie eigentlich
     nur das erste Grollen eines Vulkanausbruchs war: »Mehr war nicht?«
    April merkte, dass ihr Großvater unruhig von einem Bein aufs andere trat.
    »Genau. Wir sind zu
Friendly’s
gefahren, um Kakao zu besorgen, wie ich’s gesagt habe, und hatten einen Unfall. Das ist alles. Kein Riesending, wie ihr das
     früher immer ausgedrückt habt.«
    Jetzt endlich wandte ihre Mutter die Augen ab, stand auf und richtete ihren tödlichen Blick auf ihren Großvater. April sah,
     dass ihr Großvater lächelte, aber sie wusste, dass es ein falsches Lächeln war – und ein Geheimnis. Doch dieses Lächeln welkte
     dahin, kaum dass ihre Mutter näher herantrat.
    »Du hast leicht reden, du alter Knacker, dich betrifft es ja nicht. Jemand anderes musste sich eine klaffende Wunde nur Zentimeter
     vom Auge entfernt zunähen lassen und geröntgt werden, weil es innere Verletzungen hätte geben können. Aber für dich ist das
     ja kein Riesending.«
    »Mom! Entspann dich.«
    »Erzähl mir nicht, ich soll mich entspannen. Kannst du dir überhaupt vorstellen, was für eine Angst ich hatte, als sie mich
     angerufen haben, dass ich ins Krankenhaus kommen soll? Da sitze ich mitten in einer Sitzung und kriege diesen Anruf und muss
     ins Krankenhaus rasen, ohne das Geringste zu wissen. Ohne zu wissen, ob du noch lebst oder …«
    »Ähm, Mom? Da ich diejenige war, die dich angerufen hat, weiß ich eigentlich nicht, warum du dich gefragt hast, ob …«
    »Spiel bloß nicht die Neunmalkluge, Fräulein. Du weißt genau, was ich meine.«
    April schüttelte den Kopf und sah weg. Sie wollte schlafen.
    Ihre Mutter nahm sich wieder ihren Großvater vor.
    »Kommen wir zum Kern der Sache, alter Knabe: Hast du getrunken?«
    April sah ihren Großvater traurig lächeln. Er sah zu Boden und antwortete nicht. Wenn da nicht die weißen Haare und die Stoppeln
     in seinen Ohren gewesen wären, hätte er ausgesehen wie ein kleiner Junge – ein kleiner Junge, den man retten musste.
    »Mom, Grandpa war derjenige, der darauf bestanden hat, dass wir hier herfahren. Ich wollte nach Hause.«
    »Na, bravo! Zum ersten Mal in seinem Leben beweist er mehr Grips als eine Fünfzehnjährige.«
    In der Stille, die auf diese Bemerkung folgte, kam April wieder ins Bewusstsein, dass sie sich in der Notaufnahme eines Krankenhauses
     befanden. Sie nahm an, dass ihre

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