Die fernen Tage der Liebe
Auseinandersetzung den anderen Patienten dabei half, nicht mehr an ihre Schmerzen zu denken,
und sei es auch nur für ein paar Minuten.
»Welcher
Friendly’s ?«
, fragte ihre Mutter und fixierte ihren Großvater.
»Du weißt doch, welcher«, antwortete er. »Der auf der Forest.«
»Ah! Der auf der Forest!«
»Genau. Der auf der Forest.«
»Der auf der Forest, der vor fünf Jahren geschlossen hat? Meinst du den?«
April versuchte, ihren Großvater nicht anzusehen, während der sich bückte, um an einer der Schnallen an seinen Stiefeln herumzufummeln.
»Wirklich? Habe ich gar nicht gewusst. Schätze,das hätten wir dann gemerkt, wenn wir hingekommen wären.«
Ihre Mutter schnaubte so laut, dass April glaubte, sie würde ihre halbe Nase wegtrompeten. »Du hast sie wirklich nicht mehr
alle«, sagte sie.
»Lass ihn in Ruhe, Mom.«
»Das werde ich! Und du auch! Du steigst mir nicht noch einmal bei dem ins Auto.«
»Herrgott, Mom.«
»Ich sage es dir nicht noch einmal: Nenn mich nicht Herrgott!« Marcy wandte sich wieder an ihren Vater. »Also, Billy Boy,
hier sind die Fakten: Du kannst dein Haus nicht in Schuss halten, du weißt nicht mehr, dass der
Friendly’s
, der nur ein paar Blocks von deinem Zuhause entfernt liegt, vor Jahren dichtgemacht hat, und April hat mir erzählt, dass
du manchmal ihren Namen vergisst. Es ist an der Zeit, dass du mit dem Autofahren aufhörst.«
April spürte wieder die Röte in sich aufsteigen. Nicht, weil ihre Mutter so ein Miststück war, sondern weil sie ihren eigenen
Großvater verraten und dessen Gedächtnislücken erwähnt hatte. Da drehte er, immer noch mit gesenktem Kopf dastehend, zu ihrer
unendlichen Erleichterung sein Gesicht gerade so weit in Aprils Richtung, dass er ihren Blick erhaschen konnte. Er kam ihr
vor wie ein Mitverschwörer auf dem Spielplatz. Er zwinkerte.
Das Mobiltelefon ihrer Mutter klingelte. Sie warf einen Blick aufs Display.
»Hypothekenmakler. Da muss ich drangehen.«
»Ähm, Mom?«
April deutete auf ein Schild an der Wand, auf dem stand:
Gebrauch von Mobiltelefonen streng untersagt.
»Bleib hier«, befahl Marcy.
Als ob ich eine andere Wahl hätte,
dachte April.
Ein paar Augenblicke hockte sie mit ihrem Großvater schweigend da. Eine Stimme mit starkem Akzent rief über die Sprechanlage
einen Dr. Woodson.
»Danke, dass du für mich gelogen hast«, sagte April.
»Wer hat denn hier gelogen? Ich habe deiner Mutter nur gesagt, dass wir einen Unfall hatten. Stimmt doch.«
»Aber der Kakao …
Friendly’s
…«
»Das stimmt auch. Ich habe dir bloß nicht erzählt, dass ich dich einladen wollte. Eine Überraschung. Du magst doch Überraschungen,
oder?«
»Aber Mom glaubt, du bist gefahren. Und jetzt denkt sie, dass du zu alt zum Autofahren bist. Und sie denkt, dass alles deine
Schuld war.«
Bill streckte den Arm aus und tätschelte Aprils Hand. Seine eigene fühlte sich dünn wie Papier an.
»Zwei Dinge. Erstens: Deine Mutter hat recht. Es ist mein Fehler. Zweitens: Man hat es nicht in der Hand, was die Leute denken,
egal, was man sagt oder auch tut. Manchmal ist es gar nicht der Mühe wert.« Er zwinkerte wieder. »Lebensweisheit Nummer –
was auch immer.«
Es gab einen plötzlichen Ratsch, als der Vorhang auf- und wieder zugezogen wurde und ein weißer Kittel vor ihnen auftauchte,
in dem ein kleiner, rundlicher Mann mit ein paar wenigen verbliebenen Haarsträhnen und einer von roten Äderchen übersäten
Nase stand.
»Ich bin Dr. Brennan«, stellte er sich vor und reichte Aprils Großvater die Hand. »Und Sie sind …?«
»Ja, ich bin. Soll auch noch ein Weilchen so bleiben.«
Der Arzt runzelte die Stirn. »Und Ihre Beziehung zu der jungen Dame hier?«
»Ich bin der Großvater. Auch das soll noch ein Weilchen so bleiben.« Freundschaftlich knuffte er April mit dem Ellbogen in
die Seite. Definitiv ein Mitverschwörer.
»Und der Vater oder die Mutter sind …«
»Ihre Mutter ist draußen und telefoniert. Sie ist jeden Moment wieder da. Den Vater können Sie vergessen. Von der Bildfläche
verschwunden.«
Aprils Großvater lächelte den Arzt an, als hätte er ihm gerade gesagt, was für ein wunderschöner Tag heute doch sei. Der Arzt
schien verwirrt zu sein.
»Verstehe«, sagte er. »Nun, ich muss in eine Sprechstunde, wenn Ihre Mom also irgendwelche Fragen hat, kann sie mich ja anrufen.«
Er wandte sich April zu. »Und du, mein Fräulein, solltest es inzwischen für den Rest des Tages ruhig
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