Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
Vom Netzwerk:
habe. Mindestens drei Mal habe ich es dir erklärt.«
    »Das weiß ich. Ich dachte, du würdest ihn noch mal fragen.«
    »Habe ich auch. Er will wissen, warum du ein Familientreffen möchtest. Ich weiß nicht, warum, also kann ich es ihm auch nicht
     erklären. Nur du weißt, warum.«
    Bill nickte. Marcy wusste nicht, wie sie das interpretieren sollte. War er jetzt herablassend oder eingeschüchtert?
    »Also, willst du mir nun sagen, warum?«, fragte sie und staunte selbst, dass sie nicht schrie. Noch nicht.
    »Was war das Zweite?«
    »Es wird langsam Zeit, dass du darüber nachdenkst, aus dieser Bruchbude auszuziehen.«
    Die Augen ihres Vaters flackerten, als habe er nun doch die Taktik erkannt, die sie bei ihm früher schon angewandt hatte:
     erst über etwas anderes reden, etwas, das nicht das Geringste mit der Bitte zu tun hatte, die man stellen wollte; dann diese
     Bitte plötzlich aus dem Hut ziehen und dabei am besten so tun, als ginge es nur darum, eine eklatante und schon viel zu lange
     währende Ungerechtigkeit zu beseitigen.
Es wird langsam Zeit, dass du mich mal bei meinen Freundinnen schlafen lässt. Es wird langsam Zeit, dass du mich mal mit Jungs
     ausgehen lässt. Es wird langsam Zeit, dass ich länger wegbleiben darf.
    Als sie ein kleines Mädchen gewesen war, hatte diese Methode vermutlich noch süß gewirkt, schätzte Marcy. Bei einem Teenager
     dann schon nicht mehr ganz so süß. Und jetzt wahrscheinlich überhaupt nicht mehr.
    »Verkauft ihr so eure Häuser?«, fragte ihr Vater. »Wird Zeit, diese Bruchbude zu verkaufen? Ganz nebenbei, diese
Bruchbude
war früher mal dein Zuhause.«
    »Oh! Du erinnerst dich also doch noch, womit ich mein Geld verdiene.«
    Ihr Vater wirkte aufgeschreckt, so als hätte man ihn bei einer Lüge erwischt und wenn nicht das, als versuche er zumindest
     herauszubekommen, welche Verbindung zwischen dem Thema Häuserverkauf und dem Beruf seiner Tochter bestand. Jedenfalls machte
     er den Eindruck, als versuche er etwas zu ergründen, beinahe so, als hätte er selbst den Hausverkauf zur Sprache gebracht,
     ohne zu merken, was er da redete.
    »Natürlich erinnere ich mich«, erklärte er und deponierte die Pfeife geräuschvoll im Aschenbecher. »Ich habe es langsam satt,
     dass du mich das immer wieder fragst.«
    »Es war eine Feststellung, keine Frage«, widersprach Marcy. Wie kam es nur, dass sie jedes Mal, sobald sie dieses Haus betrat,
     wieder zur Zwölfjährigen wurde?
    »Ich spreche von Respekt«, blaffte ihr Vater und durchbohrte sie schier mit seinem Blick. »Weißt du, ich habe dieses Haus
     nämlich selbst gebaut …«
    »Oh, und wie ich das weiß«, unterbrach ihn Marcy, die merkte, dass ihr die Sache entglitt. »Ich bin euer Vater! Respektiert
     mich!«, äffte sie ihn nach. »Soll ich dir mal was sagen, Billy Boy? Mit der Fähigkeit, Kinder zu zeugen, erwirbt man nicht
     automatisch schon …«
    »Davon rede ich nicht! Ich rede von diesem Haus! Ich habe dieses Zuhause für deine Mutter gebaut und, auch wenn ich es damals
     noch nicht wissen konnte, für euch Kinder. Und ich kann mich nicht daran erinnern, dass es eine Bruchbude war. Ich kann mich
     nicht daran erinnern, dass ihr kein Dach über dem Kopf hattet. Es gab immer was zu essen im Kühlschrank. Eure Mutter hat dieses
     Haus geliebt. Also zeige ihm gefälligst ein bisschen Respekt,
verfickt
noch mal!«
    Ruckartig setzte Marcy sich auf. Ihr Vater hatte sich beim Fluchen immer strikt ans Verdammen und Verfluchen gehalten. Sie
     konnte sich nicht erinnern, dass er dabei je unter die Gürtellinie gegangen war. Ebenso wenig konnte sie sich daran erinnern,
     ihn je derart verletzt erlebt zu haben.
    »Tut mir leid«, sagte sie. »Ehrlich.«
    Als sie aufblickte, sah sie, dass ihr Vater sie genau beobachtete. Seine Augen hatten sich zu Schlitzen verengt, als versuche
     er herauszubekommen, ob sie ihn an der Nase herumführte.
    »Also«, sagte er und fixierte sie weiter, »wie geht es nun meiner Enkeltochter?«
    Sie hielt seinem Blick nur einen Moment lang stand, dann wandte sie die Augen ab.

11
    Nick saß am Landhausstil-Küchentisch der Gallaghers und konnte es nicht fassen, wie so viele Väter es schafften, Söhne großzuziehen,
     ohne sie irgendwann zu erdrosseln.
    Ihm gegenüber saß mit vor der Brust verschränkten Armen Bobby Gallagher, die Hände unter dem Bizeps zu Fäusten geballt, den
     Mund zu einem spöttischen Grinsen verzogen. Neben einem Teller mit einem halb verzehrten Stück Pizza lag eine

Weitere Kostenlose Bücher