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Die fernen Tage der Liebe

Die fernen Tage der Liebe

Titel: Die fernen Tage der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James King
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überzeugenden Arguments.
    Bobby interessierte all das natürlich nicht die Bohne. Er behandelte Nick mit der Verachtung einer Sportskanone, die dem Klassenstreber
     dabei zuhört, wie er vor der versammelten Klasse die Fallstricke eines Partizips erklärt.
    Selbst jetzt noch, als er merkte, wie der Siebzehnjährige ihm mit seinem funkelnden Blick Löcher ins Gesicht brannte, verbuchte
     Nick dies als verständliches Misstrauen, das wohl jeder Teenager dem Mann entgegenbrachte, der mit seiner Mutter ausging.
     Er war sich ziemlich sicher, dass es ihm auch nicht gefallen hätte, wenn sein eigener verwitweter Vater am nächsten Tag mit
     einer anderen losgezogen wäre, dabei hatte er mit dem Mann schon seit einem Jahr kein Wort mehr gesprochen. Natürlich war
     Bobbys Vater nicht tot, deshalb brachte ihn die Tatsache, seine Mutter mit einem anderen Mann zu sehen, womöglich noch mehr
     aus der Fassung. Einmal hatte Nick Peggy gefragt, ob das der Grund sein könne, warum Bobby zuweilen über irgendetwas an Nick
     oder eine seiner Aussagen – Nick wählte seine Worte an dieser Stelle sehr vorsichtig –
gekränkt
sein könnte.
    »Ich bezweifle, dass sein Vater etwas damit zu tun hat«, hatte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung geantwortet. »Wahrscheinlich
     ist es etwas Ödipales.«
    »Etwas Ödipales?«
    »Ja, du weißt schon. Der Typ, der Sex mit seiner Mutter hatte.«
    »Ja, ich weiß, was das bedeutet.« Aber Nicks unausgesprochene Frage war eigentlich die: Hielten alle Mütter es für denkbar,
     dass ihre Söhne mit ihnen schlafen wollen, oder unterlag Peggy möglicherweise der vollkommen unbewussten und auf beängstigende
     Weise inzestuösen Überzeugung, dass alle Männer sie attraktiv fanden, sogar ihr Sohn?
    Was auch immer der Grund für Bobbys Unverschämtheit sein mochte, Nick konnte es nicht vermeiden, dass er immer gereizter wurde,
     je öfter seine Bemühungen um ein lockeres Gespräch nur mit Grunzen, Achselzucken oder Augenrollen beantwortet wurden.
    Aber dann hatte er vor drei Abenden eine Email von Peggy erhalten und im Anhang den Aufsatz ihres Sohnes.
Hab ihn endlich dazu gekriegt, aus dem A*zu kommen und deine Vorschläge einzuarbeiten. Könnte ich Dich bitten, noch einen
     LETZTEN (ver
sprochen
!) Blick darauf zu werfen? Abgabe in 3 Tagen. Jeder Vorschlag willkommen!!! Ich.
    Es war das vielversprechende »Ich«, das Nick angespornt hatte, das Dokument zu öffnen, auszudrucken und sich sofort ans Werk
     zu machen. Bobby hatte in der Tat einige Veränderungsvorschläge umgesetzt, eine ganze Menge aber auch unbeachtet gelassen,
     die Nick jetzt am Rand noch einmal eintrug. Dann schrieb er ans Ende eine Bemerkung, die in seinen Augen ein Glückwunsch war
     und in der er Bobby mitteilte, es sei ein schöner Aufsatz und er wünsche ihm alles Gute für die Bewerbung. Doch nach dem zu
     urteilen, wie Bobby den Aufsatz gerade ignorierte, würde es wohl eine Weile dauern, bis er die Botschaft las, die dann hoffentlich
     ihrer beider Verhältnis verbessern würde.
    »Stimmt was nicht?«, fragte Nick nach einer Weile.
    »Ich frage mich nur gerade etwas«, antwortete Bobby.
    »Aha?«
    »Ja. Ich frage mich«, sagte Bobby langsam und bedächtig, »was für ein Versager sich wohl bereit erklären würde, die Rechtschreibung
     irgendeines Jungen zu verbessern … nur damit er mit seiner Mutter ins Bett kann.«
    Nick lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Zweifellos lag seine eigene Teenager-Zeit schon ein Weilchen zurück, aber hätte es
     nicht trotzdem noch ein paar Generationen dauern müssen, bis es soweit kam, dass sogar Kinder aus »anständigem« Haus so einfach
     und profan ihre Respektlosigkeit und ihre Verachtung zum Ausdruck brachten.
    Über sich hörte Nick Geräusche. Peggy, die sich zum Ausgehenfertigmachte. Das Tapsen ihrer Schritte, das Auf- oder Zugehen einer Tür oder Schublade bestätigten irgendwie geradezu die
     Anschuldigung, die Bobby gerade erhoben hatte. Warum sonst hätte Nick denn gestern Abend Peggy anrufen und ihr sagen sollen,
     er habe den Aufsatz gelesen und ein paar Tippfehler gefunden, die er gerne mit Bobby durchgehen würde? Ach ja, und mochte
     sie eigentlich Jazz?
    Nick wurde rot, was seinen Zorn nur noch anstachelte. Was wusste denn dieses Bürschchen, dieser halbe Analphabet überhaupt
     von seinen Absichten? Wenn auch die Vorstellung, Sex zu haben, immer häufiger in Nicks Kopf auftauchte, je öfter er Peggy
     sah, so war doch der Akt als solcher weit weniger verlockend

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