Die Festung der Perle
Flüstern aus diesem staubtrockenen Mund.
Elric nahm den Freund in die Arme. »Ich will dir helfen, Alnac. Sage mir, wie!«
»Du kannst mir nicht helfen. Da sind Höhlen. Diese Träume besiegen mich… Sie ertränken mich… Sie saugen mich auf. Ich bin verdammt, zu den bereits Verdammten zu gehen. Was für eine schlechte Gesellschaft für jemanden wie mich, Prinz Elric. Schlechte Gesellschaft…«
Der Traumstab pulsierte und leuchtete jetzt so weiß wie gebleichte Knochen. Wieder wurden die Augen des Traumdiebes blau. Doch gleich darauf wiederum schwarz. Aus der ausgedörrten Kehle drang ein Pfeifen. Plötzlich verzog sich Alnacs Gesicht vor Entsetzen. »Nein! Nein! Ich muß das Testament finden!«
Wie eine Schlange bewegte sich der Traumstab durch den Körper zu Varadia hinüber und wieder zurück. »Ach, Elric«, flüsterte die dünne Stimme, »hilf mir, wenn du kannst. Ich bin gefangen. So schlimm ist es mir noch nie ergangen …«
Der Hilferuf schien direkt aus dem Grab zu kommen, als sei Elrics Freund bereits tot. »Elric, wenn es noch einen Weggibt…«
Dann ging ein Zittern durch den Körper, als fülle er sich mit einem riesigen Atemzug. Der Traumstab flackerte und bewegte sich wieder. Dann lag er wie zu Anfang still über den verschlungenen Händen.
»Mein Freund, ich war ein Narr, zu denken, daß ich dies überleben könnte…« Die Stimme brach ab. »Hätte ich doch ihren Verstand richtig erkannt. Er ist so stark! So stark!«
»Wovon spricht er?« fragte Raik Na Seem. »Von meinem Kind? Von dem, was sie lähmt? Meine Tochter gehört zu den Sarangli-Frauen. Ihre Großmutter konnte ganze Stämme behexen, daß sie glaubten, an einer Krankheit zu sterben. Das hatte ich Alnac aber erzählt. Was versteht er denn nicht?«
»Oh Elric, sie hat mich vernichtet!« Zitternd reckte sich die bleiche Hand dem Albino entgegen.
Doch plötzlich kehrten Farbe und Leben zurück in Alnacs Körper. Schon hatte er die frühere Größe und Vitalität wiedergewonnen. Der Krummstab war nichts anderes mehr, als das Artefakt, das Elric früher an Alnacs Gürtel gesehen hatte.
Der Traumdieb lächelte. Er war überrascht. »Elric! Elric! Ich lebe!«
Er packte den Stab und wollte sich erheben. Da mußte er husten. Über seine Lippen quoll ein ekelhafter Brei, wie ein riesiger, halb verdauter Wurm. Es sah aus, als würde er seine eigenen verwesten Organe erbrechen. Alnac wischte das Zeug ab. Erst war er verwirrt, doch dann stand blankes Grauen in seinen Augen.
»Nein.« Jetzt schien Alnac ganz ruhig und mit dem Schicksal versöhnt. »Ich war zu stolz. Natürlich sterbe ich.« Er stürzte nach hinten, ehe Elric ihn halten konnte. Mit seinem alten spöttischen Lächeln schüttelte der Traumdieb den Kopf. »Eine Spur zu spät, glaube ich. Es doch nicht mein Schicksal, in dieser Ebene dein Gefährte zu sein, tapferer Held.«
Elric glaubte, Alnac spräche wirr und versuchte ihn zu beruhigen.
Dann entfiel der Stab der Hand des Traumdiebes und rollte beiseite. Ein zitternder Schrei entrang sich der gequälten Kehle. Ihm folgte solch grauenvoller Gestank, daß Elric und Raik Na Seem am liebsten aus dem Bronzezelt gelaufen wären. Es war, als verwese der Körper des Traumdiebs direkt vor ihren Augen.
Noch einmal versuchte Alnac zu sprechen. Doch es kam kein Laut. Dann war der Traumdieb Alnac Kreb tot.
Elric fühlte bei seiner Trauer um diesen guten, tapferen Freund, daß auch sein und Anighs Schicksal besiegelt waren. Der Tod des Traumdiebs war ein Fingerzeig, daß hier Kräfte am Werk waren, von denen der Albino nichts wußte, trotz seiner großen Erfahrung mit Zauberei. In keinem der vielen Bücher und Schriftrollen über Magie war er auf einen Hinweis auf ein solches Schicksal gestoßen. Elric hatte schon einige, die sich mit Zauberei befaßt hatten, schlimmer enden sehen; aber hier war eine Magie am Werk, von der nicht die leiseste Ahnung hatte.
»Jetzt hat er uns endgültig verlassen«, sagte Raik Na Seem.
»Aye.« Elric versagte beinahe die Stimme. »Aye. Seine Tapferkeit war größer als wir ahnten - oder er selbst.«
Langsam ging der alte Mann hinüber, wo sein Kind in schrecklicher Trance schlief. Er blickte ihr in die blauen Augen, als hoffe er, irgendwo tief drinnen die schwarzen des Traumdiebes zu finden.
»Varadia?«
Sie antwortete nicht.
Feierlich hob Raik Na Seem das Heilige Mädchen auf und bettete es wieder auf die Kissen des Ruhebetts, als schliefe es einen natürlichen Schlaf, und er bringe es als Vater
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