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Die Festung der Perle

Die Festung der Perle

Titel: Die Festung der Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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die Orange weg. Sie fiel auf die Stufe zu seinen Füßen und rollte die Treppe hinunter, bis sie außer Sicht war.
    Die graugrüne Ebene schien menschenleer zu sein. Eine breite, gepflasterte Straße führte hindurch, aber trotz der vielen Menschen auf der Treppe sahen sie auf der Straße keinen einzigen Reisenden. »Merkwürdig, daß die Straße ganz leer ist«, sagte er zu Oone. »Schlafen die Leute auch auf der Treppe? Oder verschwinden sie in einem anderen Reich, wenn sie ihre Geschäfte hier erledigt haben?«
    »Diese Fragen wird man uns zweifellos schon bald beantworten.«
    Sie hängte sich bei ihm ein. Seit sie sich im Wald geliebt hatten, herrschte zwischen ihnen ein Gefühl der Kameradschaft, ja Freundschaft. Elric spürte keine Schuldgefühle. Er wußte in seinem Herzen, daß er niemanden betrogen hatte. Auch Oone spürte kein schlechtes Gewissen. Auf seltsame Weise hatten sie sich gegenseitig Kraft gespendet, so daß ihre vereinte Energie stärker war als die Summe von beiden. Elric hatte diese Art Freundschaft noch nie erfahren und war für sie dankbar. Er fand, er habe viel von Oone gelernt und die Traumdiebin würde ihm noch viel beibringen, was ihm helfen würde, wenn er wieder in Melniboné war und von Yyrkoon den Thron zurückforderte.
    Als sie die Stufen hinabgegangen waren, kam es Elric so vor, als würden die Gewänder, Juwelen und Waffen zunehmend prächtiger und exotischer, die Menschen immer größer und noch schöner.
    Neugierig war er stehengeblieben und hatte einem Märchenerzähler zugehört, dem die Umstehenden wie gebannt lauschten. Doch leider hatte der Mann in einer ihm fremden Sprache gesprochen - hoch und leiernd. Dann hatten Oone und er noch bei einer Perlenverkäuferin angehalten. Elric hatte die Frau höflich gefragt, ob die Menschen auf den Stufen alle zum selben Volk gehörten.
    Die Frau hatte die Stirn gerunzelt und den Kopf geschüttelt. Sie hatte in einer wieder anderen Sprache geantwortet, die nur wenige Worte zu haben schien, da sie viele wiederholte. Seine Frage wurde erst beantwortet, als sie von einem Sorbetverkäufer angehalten wurden. Der Junge verstand ihn. Er mußte zwar etwas überlegen, als übersetze er die Worte im Kopf. Doch dann sagte er: »Aye. Wir sind das Volk der Stufen. Jeder hat hier seinen Platz, der eine unter dem anderen.«
    »Und je tiefer man steigt, desto reicher und bedeutender wird man, oder?« fragte Oone.
    Der Junge war erstaunt über diese Frage. »Jeder hat hier seinen Platz«, wiederholte er. Dann lief er schnell nach oben, als habe die Frage ihm Angst eingejagt. Die Zahl der Menschen nahm aber nach unten zur Ebene hin deutlich ab. »Ist dies alles nur eine Illusion?« fragte er Oone. »Irgendwie kommt es mir wie ein Traum vor.«
    »Es ist unser Gefühl für das, was sein sollte, was hier stört«, erklärte sie. »Das färbt unsere Wahrnehmung, glaube ich.«
    »Dann ist es keine Illusion?«
    »Nicht genau, was du eine Illusion nennen würdest.« Sie suchte nach den richtigen Worten, schüttelte dann aber den Kopf. »Je mehr es uns wie eine Illusion vorkommt, desto mehr wird es zu einer. Ergibt das Sinn?«
    »Ich glaube schon.«
    Schließlich hatten sie die untersten Stufen erreicht. Da sahen sie, wie ein Reiter über die Ebene auf sie zuritt. Eine riesige Staubwolke folgte ihm.
    Die Menschen auf der Treppe schrien auf. Elric blickte sich um und sah, wie alle die Stufen hinaufliefen. Am liebsten wäre er auch mitgelaufen. Doch Oone hielt ihn zurück. »Denk dran! Wir können nicht zurück! Wir müssen sehen, wie wir mit der Gefahr fertig werden.«
    Die Gestalt des Reiters war jetzt zunehmend besser zu erkennen. Entweder war es derselbe Krieger mit der Rüstung aus Elfenbein, Schildpatt und Perlmutt oder er glich ihm aufs Haar. Dieser trug eine weiße Lanze, deren Spitze aus einem scharfen Knochen bestand und direkt auf Elrics Herz gerichtet war.
    Der Albino sprang vor, um den Gegner durch eine Finte zu verwirren. Er war schon beinahe unter den Hufen des Pferdes, als er sein Schwert blitzschnell hochriß und nach der Lanze schlug. Der Aufprall warf ihn beiseite. Doch in dem Moment war Oone schon da. Sie reagierte, als verfüge sie über außergewöhnliche telepathische Fähigkeiten oder als ob sie beide vom gleichen Gehirn gelenkt würden. Oone sprang vor und stieß genau unter den erhobenen Unken Arm des Reiters auf das Herz ihres Angreifers zu.
    Doch dieser wehrte den Schlag mit der behandschuhten Rechten ab und trat mit dem Fuß nach ihr.

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