Die Festung der Perle
kleine weiße Rauchfahne. Ihre Barke lag in einem flachen, glitzernden Teich. Königin Zephir bedeutete Elric und Oone auszusteigen.
»Kommst du mit uns zur Festung?« fragte Oone.
»Sie weiß es nicht. Ich weiß nicht, ob es gestattet ist«, antwortete die Königin. Ihre Augen über dem Schleier lagen im Schatten der Kapuze.
»Dann sage ich dir jetzt Lebewohl.« Elric verneigte sich und küßte die zarte Frauenhand. »Ich danke dir für deine Hilfe, Königin Zephir, und hoffe, daß du mir mein häufig schlechtes Benehmen verzeihst.«
»Verzeihen, ja.« Elric schaute auf und hatte den Eindruck, daß die Königin lächelte.
»Auch ich danke dir.« Oones Ton war beinahe vertraulich, als teilten die beiden ein Geheimnis. »Weißt du, wie wir die Festung der Perle finden können?«
»Dort wird man es wissen.« Die Königin deutete zu dem Haus hinüber. »Lebewohl, wie du sagst. Du kannst sie retten. Nur du.«
»Auch ich danke dir für dein Vertrauen«, sagte Elric. Beinahe übermütig sprang er an Land und folgte Oone durch die Wiesen zu dem kleinen Haus. »Welch eine Wohltat, meine Liebe! Was für ein Gegensatz zum Land des Wahnsinns!«
»Aye«, erwiderte sie zurückhaltend und legte die Hand auf ihr Schwert. »Doch bedenke, Prinz Elric, daß Wahnsinn in allen Welten unterschiedliche Formen annimmt.«
Doch der Albino ließ sich von ihrer Warnung nicht die Freude verderben. Er war entschlossen, seine Energien so weit wie nur möglich aufzuladen, um für das vorbereitet zu sein, was vor ihnen lag.
Oone war zuerst an der Tür des weißen Bauernhauses. Zwei Hühner scharrten davor im Sand, ein alter Hund war an ein Faß angebunden und musterte sie freundlich. Auf dem Türsturz leckten sich zwei Katzen das silbrige Fell. Oone klopfte, und die Tür öffnete sich. Ein großer, gutaussehender junger Mann stand vor ihnen. Er trug einen alten Turban und einen hellbraunen Burnus mit langen Ärmeln. Offenbar freute er sich über ihren Besuch.
»Seid gegrüßt«, sagte er. »Ich bin Chamog Borm, zur Zeit im Exil. Seid ihr mit guten Nachrichten vom Hof gekommen?«
»Ich fürchte, wir haben überhaupt keine Nachrichten«, erwiderte Oone. »Wir sind Reisende und wollen zu der Festung der Perle. Ist es noch weit?«
»Im Herzen und Zentrum dieser Berge.« Er deutete zu den weißen Gipfeln hinüber. »Darf ich euch vielleicht eine Erfrischung anbieten?«
Der Name, den der junge Mann genannt hatte, sowie sein ungewöhnliches Aussehen kamen Elric irgendwie bekannt vor. Vergeblich zerbrach er sich den Kopf darüber, wußte aber genau, daß er den Namen erst kürzlich gehört hatte.
Im kühlen Inneren des Hauses bereitete Chamog Borm einen Kräutertee. Er schien auf seine hausfraulichen Fähigkeiten stolz zu sein. Außer Frage war er kein einfacher Bauer. In einer Ecke des Raumes lag eine kostbare Rüstung, deren Stahl mit Gold und Silber verziert war. Dazu ein Helm, gekrönt von kämpfenden Schlangen und Falken, außerdem Speere, ein langes Krummschwert, Dolche und noch andere Waffen und Ausrüstung aller Art.
»Du bist also ein Krieger«, sagte Elric und nippte an dem heißen Gebräu. »Deine Rüstung ist überaus schön.«
»Ich war ein Held«, sagte Chamog Borm traurig, »bis man mich vom Hof der Perle verwies.«
»Verwies?« fragte Oone. »Was warf man dir vor?«
Chamog Borg senkte die Augen. »Ich wurde der Feigheit angeklagt. Doch ich halte mich nicht für schuldig. Man hat mich verzaubert.«
Da fiel Elric ein, wo er den Namen gehört hatte! Nach seiner Ankunft in Quarzhasaat war er im Fieberwahn umhergeirrt und hatte den Geschichtenerzählern auf den Marktplätzen zugehört. Zumindest drei Geschichten hatte er über einen legendären Helden namens Chamog Borm gehört, den letzten tapferen Ritter des Reiches. Überall wurde der Name verehrt, selbst in den Lagern der Nomaden. Doch war Elric überzeugt, daß Chamog Borm - falls überhaupt - vor mindestens tausend Jahren gelebt haben mußte!
»Was war der Anlaß der Klage gegen dich?« fragte er.
»Es ist mir nicht gelungen, die Perle zu retten, die nun mit einem Zauberbann belegt ist und uns alle immerwährend leiden läßt.«
»Was war das für ein Zauber?« fragte Oone begierig.
»Unser Monarch und viele seiner Vasallen konnten die Festung nicht mehr verlassen. Ich sollte sie befreien. Stattdessen beschwor ich jedoch einen noch schlimmeren Zauber herauf. Meine Bestrafung ist das Gegenteil ihres Schicksals. Sie dürfen nicht heraus, ich nicht zurück.« Während
Weitere Kostenlose Bücher