Die Festung der Perle
er sprach, wurde er Zusehens trauriger.
Elric war immer noch so verblüfft, mit einem Helden zu reden, der schon Jahrhunderte tot sein müßte, daß er nur wenig sagen konnte. Aber Oone schien alles völlig zu verstehen und nickte mitleidig mit dem Kopf.
»Kann man dort die Perle finden?« erkundigte sich Elric und dachte dabei an den Handel, den er mit Lord Gho geschlossen hatte, an die Anigh drohende Folter, an seinen sicheren Tod und an Oones Prophezeihungen.
»Natürlich!« Chamog Borm war überrascht. »Manche glauben, sie regiert den gesamten Hof, vielleicht sogar die ganze Welt.«
»War das immer so?« fragte Oone.
»Ich sagte euch doch, daß dem nicht so war!« Er blickte die beiden an, als seien sie schwachsinnig. Dann aber senkte er die Augen bei dem Gedanken an seine eigene Entehrung und Erniedrigung.
»Wir hoffen, sie zu befreien«, erklärte Oone. »Kommst du mit uns und hilfst uns?«
»Ich kann nicht helfen. Sie vertraut mir nicht mehr. Ich bin verbannt«, erwiderte er niedergeschlagen. »Doch könnt ihr meine Rüstungen und meine Waffen haben, damit zumindest ein Teil von mir für sie kämpft.«
»Wir danken dir«, sagte Oone. »Das ist sehr großherzig von dir.«
Chamog Borm wurde munterer, als er ihnen bei der Auswahl half. Elric stellte fest, daß Brustplatte und Beinschienen ihm haargenau paßten, ebenso wie der Helm. Auch für Oone fand sich eine passende kleinere Rüstung, bei der lediglich die Riemen etwas enger geschnürt werden mußten. In ihren neuen Rüstungen sahen die beiden fast identisch aus. Elric spürte eine tiefe Genugtuung im Inneren, die er sich nicht erklären konnte, die ihm jedoch ein gutes Gefühl einflößte. In der Rüstung fühlte er sich nicht nur sicher, sondern er war sich wieder seiner eigenen Stärke bewußt, einer Stärke, die er bis zum allerletzten Tropfen brauchen würde, wenn es zum entscheidenden Kampf kam. Oone hatte ihn vor den heimtückischeren Gefahren in der Festung der Perle gewarnt.
Chamog Borm beschenkte sie noch reicher. Aus dem Stall hinter dem Haus führte er zwei graue Pferde. »Das sind Taron und Tadia, Bruder und Schwester, Zwillingsfohlen. Sie waren noch nie getrennt. Einst ritt ich mit ihnen in die Schlacht, und einst zogen wir gegen das Strahlende Reich. Jetzt wird der letzte Herrscher von Melniboné an meiner Stelle hinausreiten, mein Schicksal zu erfüllen und die Belagerung der Festung der Perle zu beenden.«
»Du kennst mich?« Forschend musterte Elric den jungen Recken, doch in dessen klaren Augen war nichts von Irreführung oder gar Spott zu lesen.
»Ein Held erkennt einen anderen, Prinz Elric.« Chamog Borm umfaßte Elrics Unterarm mit der freundschaftlichen Geste, wie sie unter den Wüstensöhnen üblich ist. »Mögest du alles erreichen, was du erreichen willst, und mögest du es mit Ehre tun. Auch du, Lady Oone. Dein Mut ist von allen der größte. Lebt wohl!«
Vom Dach seines Hauses blickte der Verbannte ihnen nach, bis sie außer Sicht waren. Sie waren jetzt so nahe an die Berge geritten, daß diese sie förmlich einschlossen. Vor ihnen erstreckte sich eine breite, weiße Straße. Das Licht entsprach dem eines sommerlichen Spätnachmittags, obwohl Elric immer noch nicht sicher war, ob der Himmel über ihnen wirklich ein Himmel war oder das hohe Dach einer riesigen Höhle; denn die Sonne war nirgendwo zu sehen. War das Traumreich eine endlose Reihe solcher Höhlen oder hatten die Traumdiebe die gesamte Welt kartographiert? Konnten sie Gebirge durchqueren und die namenlosen Länder dahinter, dann wiederum durch die sieben Tore fahren und schließlich zurück ins Land Gemeinsamer Träume gelangen? Würde Jaspar Colinadous dort auf sie warten, wo sie ihn verlassen hatten?
Wie sich herausstellte, war die Straße aus poliertem Marmor; aber die Pferde waren so hervorragend beschlagen, daß sie nicht ein einziges Mal ausrutschten. Der laute Hall ihres Hufschlags brach sich an den Wänden des Passes. Herden von Gazellen und wilden Schafen hörten auf zu äsen und blickten erstaunt auf die beiden silbernen Reiter auf ihren silbernen Pferden, die auf dem Wege waren, jene Mächte, die sich der Festung der Perle bemächtigt hatten, zu bekämpfen.
»Du hast diese Leute besser als ich verstanden, Oone«, sagte Elric, als sich die Straße nach oben zum Zentrum des Gebirges wand. Das Licht war kälter geworden, der Himmel jetzt helles, kaltes Grau. »Weißt du auch, was uns bei der Festung der Perle erwartet?«
Bedauernd schüttelte sie
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