Die Festung der Titanen
hatte ich ein Kind geheilt, einen Mann der Freiheit seines Willens beraubt und Blutmagie gewirkt. Das eine mochten die Götter noch wohlgefällig sehen, auch wenn es im Allgemeinen galt, dass Heilung ein Vorrecht der Priesterschaft war. Für das andere mussten mich die Götter verdammen.
»Ich tue das, was nötig ist«, sagte ich rau.
»Ich weiß«, nickte Varosch und schien mir auf einmal traurig zu sein. »Es hilft nur nicht. Denn Arkin wird das Gleiche von sich behaupten. Du solltest dich fragen, ob das, was dir als notwendig erscheint, auch richtig ist. Gab es wahrhaftig keinen anderen Weg? Muss man nicht auch manche Dinge geschehen lassen?«
»Wie Hrelde?«, fragte ich verärgert. »Hätte ich sie sterben lassen sollen? Sie ist doch nur ein kleines unschuldiges Mädchen.«
»Ich weiß nicht, ob sie hätte sterben sollen«, antwortete er ernst. »Wenn, dann hast du den Lauf der Welt verändert, ob zum Guten oder Schlechten.« Er zuckte hilflos mit den Schultern. »Das werden wir wohl nie erfahren. Du erinnerst dich an den Eulenschüler Erinstor?«
Ich nickte. Er war der Anfang von allem, er war es, der dem Nekromanten Rogamon die Flucht aus seinem Gefängnis ermöglicht hatte. »Warum?«
»Er fand Gefallen an Asela«, sagte Varosch leise. »Er hätte versuchen können, ihr Herz für ihn zu gewinnen, wer weiß, vielleicht wäre es ihm sogar gelungen. Doch er besaß das Talent, sie zur Liebe zu zwingen, und nutzte es, obwohl es nicht nötig gewesen wäre. Selbst wenn sie ihn zurückgewiesen hätte, auch für ihn hätte sich eine andere gefunden. All das«, sagte er und tat eine hilflose Geste. »All das Leid, der Krieg, der Streit der Götter, sogar unser eigenes Schicksal folgte nur daraus, dass ein Einziger glaubte, es wäre sein Recht, das Talent, das er besaß, auch zu seinem Vorteil zu benutzen. Das ist das Problem, Havald. Nicht alles, was man kann, sollte man auch tun.«
»Wie weiß man das?«, fragte ich betroffen.
»Das nennt man Weisheit«, antwortete Varosch mit einem schiefen Lächeln. »Aber, wie Zokora gerne sagt, besitzt man davon nie genug.«
Bevor ich darauf etwas entgegnen konnte, ritt Enke zu uns heran. »Konrad sagte mir eben, dass sich Arkins Legionen in Bewegung gesetzt haben, sie sind überhastet aufgebrochen, haben sogar Teile ihres Lagers nicht mehr abgebaut.«
»Wenn mir der Hunger im Magen brennen würde, hätte ich es auch eilig, dorthin zu kommen, wo es Essen gibt«, stellte Varosch fest und schaute nachdenklich drein. »Sein Weg führt an der Feste Braunfels vorbei, meinst du, dass er wieder versuchen wird, uns zu hintergehen, vielleicht sogar überlegt, sie doch zu nehmen?«
»Nein«, sagte ich grimmig. »Diesmal nicht.« Und fragte mich, ob Varosch nicht recht hatte, ob es nicht einen anderen Weg gegeben hätte, sicherzustellen, dass Arkin uns nicht wieder hinterging. Dann erinnerte ich mich an Arkins schwarze Seele. Ein Wolf folgte seiner Natur und riss die Schafe. Dafür erschlägt der Schäfer dann den Wolf.
Auch das war der Lauf der Welt. Arkin war ein Wolf, den man erschlagen musste. Oder zumindest an die Leine legen.
31
Die eiserne Hand
Ohne, wie auf dem Hinweg, auf wandernde Nomaden warten zu müssen, kamen wir auf dem Rückweg zur Felsenfeste gut voran, so gut, dass wir uns entschieden, auch nach Einbruch der Nacht weiterzureiten. Etwa zur ersten Glocke sahen wir das Felsplateau vor uns liegen, auf dem die erste Legion ihr Lager errichtet hatte.
»Müsste man nicht den Schein von Lagerfeuern sehen können?«, fragte Serafine, während sie sich in den Steigbügeln aufstellte, um sich umzusehen. »Nichts weist darauf hin, dass sich hier eine Legion verbirgt.«
»Das war der Plan, Kindchen«, beruhigte sie die alte Enke. »Keine Angst, es ist nichts geschehen, sie
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